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EuGH-Urteil : Kindergeld-Quittung aus Luxemburg

  • -Aktualisiert am

Wer bekommt welche Leistungen? Bild: dpa

Organisierter Sozialmissbrauch findet statt. Vor allem die Ermittler in Nordrhein-Westfalen sind leidgeprüft. Wie der EuGH nun über eine Kindergeld-Klausel entschieden hat, überrascht dennoch nicht.

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          Kindergeldzahlungen an Ausländer, auch an Bürger aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sind eine emotionale Angelegenheit. Mit der schrittweisen Ausdehnung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus osteuropäischen Staaten hat das Thema zusätzliche Sprengkraft gewonnen, zumal die AfD immer wieder versucht, Stimmung mit dem Szenario einer Massenzuwanderung in die Sozialsysteme zu machen. Jeder Fall von bandenmäßigem Kindergeldbetrug bot ihr dazu eine willkommene Gelegenheit.

          Für die politischen Parteien der Mitte ist das eine heikle Sache. Organisierter Sozialmissbrauch findet statt. Vor allem die Ermittler in Nordrhein-Westfalen sind leidgeprüft. Banden, die sie zu fassen bekamen, hatten im großen Stil Familien aus Südosteuropa nach Deutschland transportiert, um lukrative kriminelle Geschäftsmodelle mit Sozial- und Familienleistungen zu betreiben.

          Vor diesem Hintergrund ist die gesetzliche Ausschlussklausel für den Bezug von Kindergeld zu sehen, die der Europäische Gerichtshof nun als nicht EU-rechtskonform rügte. Die schwarz-rote Vorgängerregierung wollte „nicht beabsichtigten Anreizwirkungen“ für einen Zuzug aus dem Ausland einen Riegel vorschieben. EU-Ausländer, die in Deutschland keine Einkünfte haben, bekamen die ersten drei Monate kein Kindergeld mehr. Für Deutsche, die im Ausland gewesen waren, blieb dagegen alles beim Alten; sie waren von den Kürzungen nicht betroffen.

          Dass der EuGH eine solche Ungleichbehandlung nicht akzeptieren würde, überrascht nicht. Über den EU-Gleichbehandlungsgrundsatz nimmt der Gerichtshof seit Langem kräftig Einfluss auf die nationale Steuer- und Sozialpolitik, obwohl beide Bereiche nicht vergemeinschaftet sind. In diesem speziellen Fall hat es außerdem nicht an Warnungen gefehlt. Im Gesetzgebungsverfahren haben zahlreiche Verbände gemahnt, dass die dreimonatige Ausschlussklausel vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern werde.

          Nun hat die jetzige Bundes­regierung die Quittung aus Luxemburg bekommen. Noch ein Baustein mehr, den die Ampelkoalition bei der geplanten Kindergrundsicherung wälzen muss.

          Katja Gelinsky
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin

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