Europäische Zentralbank : Trichet vor Gericht
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Die EZB-Präsidentschaft im Blick Bild: dpa
Der Prozeß gegen den Franzosen Jean-Claude Trichet hat begonnen. Europas Finanzminister halten an Trichet als künftigen EZB-Präsidenten fest.
Frankreichs Notenbankchef Jean-Claude Trichet, der aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge von EZB-Präsident Wim Duisenberg, verantwortet sich wegen Bilanzfälschung vor Gericht. Der Prozess hat am heutigen Montag vor dem Pariser Strafgericht begonnen. Die Anklage wirft Trichet vor, Anfang der 90er Jahre als Direktor des staatlichen Schatzamtes geschönte Bilanzen der Bank Crédit Lyonnais (CL) abgesegnet zu haben. Trichet bestreitet das. Nur bei einem Freispruch dürfte er an die Spitze der Europäischen Zentralbank aufrücken können.
Ecofin hält an dem Franzosen fest
Der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der Europäischen Union, Ecofin, hält trotz des Verfahrens an Trichet als Kandidaten für die Nachfolge Duisenbergs fest. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte, der Ecofin habe sich „eindeutig“ für Trichet ausgesprochen. Ob die Bundesregierung sich im Falle einer Verurteilung Trichets für einen anderen Franzosen aussprechen würde, sei reine Spekulation.
Für den Prozess sind knapp sechs Wochen anberaumt. Neben dem 60 Jahre alten Trichet müssen sich weitere acht Angeklagte vor Gericht verantworten, darunter der damalige CL-Chef Jean-Yves Haberer und der frühere Gouverneur der Bank von Frankreich, Jacques de Larosière.
Crédit Lyonnais vertuschte Milliardenverluste
Trichet wird „Beihilfe bei der Veröffentlichung falscher Bilanzen und der Verbreitung falscher und irreführender Informationen“ vorgeworfen. Der Anklage zufolge vertuschte die damals staatliche Bank Crédit Lyonnais für 1991, 1992 und das erste Halbjahr 1993 Milliardenverluste. Das Kreditinstitut war vor allem durch seine Rolle beim Kauf der MGM-Studios und Immobiliengeschäfte in schwere finanzielle Schlagseite geraten. Doch noch für 1991 wies Crédit Lyonnais einen Gewinn aus, für die beiden Folgejahre insgesamt einen Verlust von nur 1,3 Milliarden Euro. Laut einem neuen Gutachten hätte die Bank allein für 1992 aber zusätzlich noch einmal die gleiche Summe abschreiben müssen.
Trichet bestreitet die Vorwürfe, eine manipulierte Bilanz gedeckt zu haben. Allerdings haben die Ermittlungen eine Notiz von 1993 an den damaligen Finanzminister zu Tage gefördert. Darin schrieb Trichet, dass „die Veröffentlichung eines größeren Verlustes Fragen über die Solidität der führenden Finanzeinrichtung Europas aufgeworfen hätten“.
Die Sanierung des mittlerweile privatisierten Kreditinstituts kostete den französischen Steuerzahler insgesamt fast 15 Milliarden Euro. Crédit Lyonnais steht mittlerweile in einer Fusion mit der genossenschaftlichen Crédit Agricole zu einer der größten Banken des Euro-Raums.