Europäische Staatsanwaltschaft : „Wir bringen mehr Geld ein, als wir kosten“
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Hessens Justizminister Roman Poseck (hinten rechts) beim Besuch der Europäischen Staatsanwaltschaft in Frankfurt. Links: Hessens Generalstaatsanwalt Torsten Kunze, Oberstaatsanwältin Friederike Busch, stellvertretender Europäischer Generalstaatsanwalt Andrés Ritter. Rechts: Staatsanwältin Anna Krause-Ablaß und Bundesanwältin Sonja Heine Bild: HMdJ
Seit eineinhalb Jahren ermittelt die erste supranationale Staatsanwaltschaft weltweit wegen Straftaten zulasten des EU-Haushalts – und hat es mit Milliardenbeträgen zu tun. Eine von fünf deutschen Einheiten sitzt in Frankfurt.
Rund eineinhalb Jahre nachdem die Europäische Staatsanwaltschaft in 22 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ihre Arbeit aufgenommen hat, beginnt die erste Hauptverhandlung am Frankfurter Landgericht in einem Fall, den die Frankfurter Einheit der EU-Ermittlungsbehörde angeklagt hat. Vom nächsten Freitag an sitzen dort zwei Männer auf der Anklagebank, die im großen Stil Umsatzsteuer hinterzogen haben sollen, indem sie in Wahrheit nur auf dem Papier erbrachte Dienstleistungen in Form von teuren Telefonaten nach Ghana oder Aserbaidschan abrechneten. Einer der beiden soll aus Nordrhein-Westfalen agiert haben, der andere aus Hessen.
Die Hintermänner sollen in Großbritannien sitzen und Kontakte nach Dubai haben, wobei einer der in Frankfurt Angeklagten als nationaler Koordinator für Deutschland fungiert und Scheinfirmen für das Schreiben von Rechnungen organisiert haben soll. Mitangeklagt sind weitere Taten von Firmen aus dem Geflecht, bei denen es um den Verkauf von Airpods, Handys und Speicherkarten geht.
14 Anklagen und fünf Urteile in Deutschland
Die Europäische Staatsanwaltschaft ist eine unabhängige EU-Behörde und ermittelt bei Straftaten, die sich gegen die finanziellen Interessen der EU richten. Sie ist die erste supranationale Staatsanwaltschaft, was den Vorteil schnellerer und einfacherer Ermittlungen bei grenzüberschreitender Kriminalität bringt. Fünf EU-Länder beteiligen sich nicht: Polen, Ungarn, Dänemark, Irland und Schweden, wobei Schweden kürzlich angekündigt habe, einzusteigen, wie der stellvertretende Europäische Staatsanwalt Andrès Ritter am Freitag bei einem Termin mit Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) sagte. Er berichtete weiter, im ersten Jahr seien etwa 1000 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, es habe mehr als 4000 Strafanzeigen gegeben. Ritter geht davon aus, dass in der EU pro Jahr 50 Milliarden Euro Schaden allein deshalb entstehen, weil Firmengeflechte Mehrwertsteuer hinterziehen. Nach aktuellem Stand seien in Deutschland in allen Bereichen 14 Anklagen erhoben worden, fünf Urteile seien rechtskräftig. „Wir sind in einer Art und Weise gestartet, die viel erwarten lässt für die Zukunft“, sagte Ritter. Schon jetzt habe die Behörde etwa 260 Millionen Euro an Vermögensabschöpfung betrieben. „Wir bringen mehr Geld ein, als wir kosten.“
Die Frankfurter Einheit in Räumen der Generalstaatsanwaltschaft ist eine von fünf in Deutschland. Die anderen sitzen in Berlin, München, Köln und Hamburg. Sie besteht derzeit aus drei, demnächst aus vier Staatsanwältinnen und ist zuständig für Hessen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Baden-Württemberg. Sie ermittelt vor allem wegen mutmaßlicher Umsatzsteuerkarusselle, in Zollverfahren – etwa mit Bezug zu Schmuggel oder Anti-Dumping-Regeln – und in solchen, bei denen es um den Missbrauch von EU-Subventionen geht. Roman Poseck sprach am Freitag von einer „effektiven, international arbeitenden Einheit“. Dies passe zu Frankfurt als Stadt und Justizstandort mit internationaler und europäischer Prägung.