Zukunftsbranchen : Europa, aufgekauft
- -Aktualisiert am
In chinesischer Hand: Europäische Spitzenunternehmen wie Kuka wecken Kaufinteresse in Fernost. Bild: dpa
Chinesen und Japaner schnappen sich den deutschen Roboterhersteller Kuka und den britischen Technologiekonzern Arm. Europa hinkt in den Zukunftsbranchen hinterher – und muss schleunigst reagieren.
Die Botschaft aus dem Fernen Osten ist eindeutig: „Wenn chinesische Unternehmen beginnen, eigene Research-Mannschaften und Entwicklungsabteilungen von Grund auf aufzubauen, würden sie eine sehr lange Zeit dafür benötigen. Es ist besser, kürzere Wege zu gehen und sich gleich einzukaufen.“
Das sagt Sun Yongfu, der ehemalige Chef der Europa-Abteilung im Pekinger Handelsministerium. Und seine Nachfolger handeln danach. Das jüngste Beispiel dafür ist der Augsburger Roboterhersteller Kuka. Das Übernahmeangebot des chinesischen Hausgeräteherstellers Midea läuft zwar noch. Aber es ist so exorbitant gut, dass schon rund 86 Prozent der bisherigen Kuka-Aktionäre gesagt haben: Euch geben wir unsere Anteile gern.
Das ist so gar nicht im Sinne deutscher Politiker. Der europäische Digitalkommissar Günther Oettinger hatte sich in dieser Zeitung als Erster in den Übernahmekampf eingemischt. „Kuka ist ein erfolgreiches Unternehmen in einem strategischen Sektor mit wichtiger Bedeutung für die digitale Zukunft der europäischen Industrie“, hatte Oettinger gesagt – und andere europäische Unternehmen zu einer Gegenofferte aufgefordert.
Zudem stelle sich die Frage, „ob eine solche Anteilserhöhung – oder überhaupt eine Beteiligung an solch strategischen Wirtschaftszweigen – umgekehrt in China möglich wäre“. Die Antwort liegt für Oettinger auf der Hand: „Ich befürchte, nein.“ Seine Schlussfolgerung: „Deshalb sollten wir auf die Zukunftsträger der europäischen Wirtschaft besonders und besser achten.“
Nicht nur China ist auf Einkaufstour
Die Kanzlerin war besorgt, der Wirtschaftsminister ebenfalls. Es wurde telefoniert: mit potentiellen anderen Bietern, mit den großen bisherigen Anteilseignern. Aber das Gebot der Chinesen war nicht zu schlagen. Trotz der hohen Annahmequote haben sie zugesagt, Kuka nicht von der Börse zu nehmen und dem deutschen Unternehmen mindestens bis Ende 2023 seine Unabhängigkeit zu belassen. Man wird sehen, ob die Garantien, die unter erheblichem politischen Druck entstanden sind, etwas taugen.
Denn diskutiert wurde sogar schon, ob die Regierung in Berlin ein förmliches Prüfverfahren nach dem Außenwirtschaftsgesetz einleiten sollte. Das Gesetz gibt ihr die Möglichkeit, den Verkauf von Unternehmen oder Firmenteilen an Interessenten außerhalb der EU zu beschränken, um die „wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten, (...) wenn infolge des Erwerbs die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist“ oder „ein Grundinteresse der Gesellschaft“ betroffen wird. Dazu kam es nicht. Die Chinesen behielten freie Hand, wenn auch unter lautem politischen Murren.
Und nicht nur China ist auf Einkaufstour. Auch Unternehmen aus anderen asiatischen Ländern haben erkannt, dass jetzt die richtige Zeit gekommen ist, sich die eine oder andere der wenigen europäischen Technologieperlen zu sichern. Denn die Welt steht am Beginn einer neuen technischen Revolution, der Digitalisierung aller Wertschöpfungsketten. Es entsteht das Internet der Dinge, das in Deutschland auch gerne „Industrie 4.0“ genannt wird. Noch steckt auf diesem Gebiet vieles in den Kinderschuhen. Aber es lohnt, sich in Position zu bringen, solange Europa noch schläft.
„Trauriger Tag“
Deshalb, so war es jüngst im Brancheninformationsdienst „ZDnet“ nachzulesen, ist auch Hermann Hauser, der Mitgründer des britischen Chipentwicklers Arm Holdings, enttäuscht und „sehr traurig“ über den Verkauf des Unternehmens an den japanischen Telekom- und Medienkonzern Softbank. Gegenüber der BBC sprach er von einem „traurigen Tag für die Technologie in Großbritannien.