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EU-Statistik : Der Mythos vom hart arbeitenden Deutschen

Pause Bild: dpa

Eine Untersuchung der EU scheint das alte Vorurteil zu bestätigen: Die Deutschen leisten die meisten Überstunden. Doch viele Feiertage und langer Urlaub gleichen manches wieder aus.

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          Der hart arbeitende Deutsche ist einer der Gründungsmythen der Bundesrepublik. Und die Statistik scheint es auf den ersten Blick zu bestätigen: In keinem Land der EU außer Großbritannien werden mehr Überstunden „geschoben“ als hierzulande. Das meldet die EU-Stiftung zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in Dublin. Einschlägige Interessenvertreter, etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), griffen diese Meldung zu Wochenbeginn denn auch dankbar auf, um die Forderung nach einem Anti-Stress-Gesetz zum Schutz deutscher Arbeitnehmer zu untermauern.

          Hendrik Kafsack
          Wirtschaftskorrespondent in Brüssel.
          Dietrich Creutzburg
          Wirtschaftskorrespondent in Berlin.

          Tatsächlich allerdings sagt die Zahl gemessener Überstunden nicht allzu viel darüber aus, wie viel und hart Menschen wirklich arbeiten. Denn ebenso richtig ist, dass kaum ein Arbeitnehmer in Europa so viele Urlaubs- und Feiertage hat wie die Deutschen. Aufs Jahr betrachtet, arbeiten nur Franzosen und Dänen weniger. Auch das zeigen die Daten.

          Deutsche arbeiten nicht sehr lange

          In der Tat sind die Wochenarbeitszeiten der Deutschen im Vergleich recht hoch. Sie kamen den durch Umfragen ermittelten Erkenntnissen zufolge 2013 auf durchschnittlich 40,4 Stunden je Woche. Das waren knapp drei Stunden mehr als der Durchschnitt der tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeiten; dieser lag bei 37,7 Stunden. Ähnlich hoch sind die Abweichungen nur in Großbritannien (40,8 zu 37,7 Stunden), den Niederlanden (39,8 zu 37,5) und Zypern (40 zu 38).

          Auf der anderen Seite haben deutsche Arbeitnehmer besonders viele freie Tage. Die Stiftung beziffert die tariflichen Jahresarbeiten hierzulande mit durchschnittlich 1659 Stunden; das sind gut 30 Stunden weniger als der EU-Durchschnitt. Am meisten arbeiten Osteuropäer: In Estland, Ungarn, Rumänien und Polen liegt die Jahresarbeitszeit bei 1840 Stunden. Sie arbeiten also jedes Jahr fast 180 Stunden oder etwa viereinhalb Wochen länger als die Deutschen. Auch die Griechen arbeiten mit 1808 Stunden den Daten zufolge sehr viel. Dänen hingegen arbeiten mit 1635 Stunden etwas weniger und Franzosen mit 1566 Stunden deutlich weniger.

          Hauptgrund sind die Urlaubs- und Feiertage. Während französische und deutsche Arbeitnehmer 40 Tage und dänische 39 Tage im Jahr frei haben, müssen sich etwa Belgier mit nur 29 Tagen begnügen. Auch mit Überstunden verschiebt sich das Gesamtbild nur leicht. So leisten Italiener und Finnen zwar kaum Überstunden und dürften zwar wie die Schweden aufs Jahr gerechnet weniger arbeiten als die Deutschen. Ansonsten aber ändert sich die Rangfolge kaum, übermäßig lange arbeiten die Deutschen nicht.

          Die Gewerkschaften führen die reine Arbeitszeit nicht als einziges Argument für ihre Gesetzesforderungen an. Aus gutem Grund: Die Bundesagentur für Arbeit hat gerade dargelegt, dass die Zahl der Überstunden hierzulande eher sinkt. Gewerkschafter verweisen auch auf eine Arbeitsverdichtung, die durch Internet und Smartphones zugenommen habe. Die Bundesregierung hat die Rufe nach gesetzlichen Regulierungen indes vorerst abgewehrt, sie will das gesamte Thema zunächst näher erforschen lassen.

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