Streit um Neuverschuldung : EU-Kommission weist Italiens Haushaltsentwurf zurück
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Die EU-Kommission hat in einem historisch einmaligen Vorgang die Haushaltspläne Italiens für 2019 zurückgewiesen. Der stellvertretende Premierminister Salvini reagiert sofort: Man werde den Italienern „keinen einzigen Cent“ aus den Taschen nehmen.
Die EU-Kommission weist erstmals den Haushaltsentwurf eines Euro-Staates zurück. Die Pläne der italienischen Regierung stünden nicht in Einklang mit dem EU-Stabilitätspakt, teilte die EU-Kommission am Dienstag in Straßburg mit. Die Regierung in Rom stelle sich „offen und bewusst“ gegen frühere Verpflichtungen und Zusagen an andere Euro-Partner, sagte Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis. „Es ist verlockend zu versuchen, Schulden mit mehr Schulden zu bekämpfen", sagte er. „Aber ab einem Punkt werden es zuviel Schulden. Und am Ende hat man dann keine Freiheit mehr.“ Dombrovskis verwies darauf, dass der italienische Staat bereits im vergangenen Jahr mehr für Zinszahlungen ausgegeben habe als für Bildung.
Italien hat nun drei Wochen Zeit für Nachbesserungen. Danach hat die EU-Kommission ebenso noch einmal drei Wochen Zeit, um sich eine endgültige Meinung zu bilden. „Der Ball ist jetzt in den Händen der italienischen Regierung“, sagte Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. Die Kommission werde die kommenden drei Wochen nutzen, um einen Dialog mit Rom zu führen. „Wir hoffen, dass dies auf konstruktive Weise erfolgt.“
Zumindest die erste Reaktion der italienischen Regierung fiel indes hartleibig aus: Italien werde trotz der Abfuhr aus Straßburg keine Änderungen am Haushalt vornehmen. „Es ändert sich nichts, die Herren der Spekulation mögen abtreten, es gibt keinen Weg zurück“, sagte der stellvertretende Premierminister Matteo Salvini. Die EU-Kommission würde nicht eine Regierung, „sondern ein Volk attackieren“. „Dies wird die Italiener noch mehr verärgern – und dann beschweren sich Leute, dass die Zustimmung zur
EU auf einen Tiefstand gefallen ist.“ Man werde den Italienern „keinen einzigen Cent“ aus den Taschen nehmen.
Die Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega hatte am 15. Oktober einen Haushaltsentwurf nach Brüssel geschickt, der eine Ausweitung der Neuverschuldung auf 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung vorsieht – dreimal so viel wie von der Vorgängerregierung zugesagt. Sie will damit Wahlversprechen finanzieren, etwa höhere Pensionen.
Keine direkten Sanktionsmöglichkeiten
In der EU ist eigentlich maximal eine Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erlaubt. Damit soll die Stabilität der Gemeinschaftswährung gewährleistet werden. Italien weist aber einen enormen Schuldenberg von 2,3 Billionen Euro und mit mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung nach Griechenland die höchste Schuldenquote in Europa auf. Das ist das Verhältnis der Gesamtverschuldung zum BIP. Italien ist daher verpflichtet, mittelfristig seine Schulden zu reduzieren.
Direkte Sanktionsmöglichkeiten gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Die EU-Kommission könnte allerdings ein offizielles Defizitverfahren gegen Italien einleiten. An dessen Ende könnten die EU-Finanzminister theoretisch bei anhaltenden Verstößen gegen die Stabilitätsregeln Milliardenbußen beschließen. Sie können sich nach den EU-Regeln auf bis zu 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung belaufen. Diese betrug im vergangenen Jahr etwa 1,7 Billionen Euro. Die Geldstrafe könnte also bis zu 3,4 Milliarden Euro betragen.
Alternativ könnten die Finanzminister die EU-Strukturhilfen für Italien kürzen. Beide Sanktionen scheinen jedoch unwahrscheinlich. Bisher hat die EU noch nie eine Geldbuße verhängt. 2016 war erstmals überhaupt ein Bußgeldverfahren gegen die Dauer-Defizitsünder Spanien und Portugal in Gang gesetzt worden. Kommission und Euro-Finanzminister sahen dann aber von Geldstrafen ab. Begründet wurde das mit der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage in beiden Ländern. Die Bundesregierung hatte zunächst noch auf eine Kürzung von Strukturhilfen gepocht, gab aber schließlich nach.
Nicht zuletzt hat auch Italien seinerseits beachtliche Druckmittel, denn in der Außen- und Sicherheitspolitik, bei den EU-Finanzen und in einigen anderen Bereichen müssen Entscheidungen in der Union noch immer einstimmig getroffen werden. Dies gilt etwa für die Verlängerung der EU-Marine-Mission „Sophia„ vor Libyen, die zum Jahresende ansteht. Oder für die Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise, die noch bis Ende Januar 2019 laufen.