Eurogruppenchef : Mário Centeno hört auf
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Mário Centeno Bild: EPA
Der Portugiese will nicht wieder kandidieren. Für seine Nachfolge sind bereits drei Namen im Gespräch. In Brüssel gab es zuletzt Unzufriedenheit mit Centenos Amtsführung.
Der Chef der Eurogruppe, Portugals Finanzminister Mário Centeno, verzichtet auf eine zweite Amtszeit. Wie es in Kreisen der Eurofinanzminister heißt, will der 53 Jahre alte Portugiese bei der bald anstehenden Wahl für den Vorsitz des informellen, in der Corona-Krise aber wieder wichtiger gewordenen Gremiums nicht mehr kandidieren. Seine zweieinhalb Jahre dauernde Amtszeit endet im Juli. Centeno hatte im Januar 2018 die Nachfolge des Niederländers Jeroen Dijsselbloem angetreten.
Als Grund für die Amtsmüdigkeit wird die von ihm so empfundene Arbeitsüberlastung genannt. Die Position des Eurogruppenchefs ist ein Nebenjob, den der jeweilige Amtsinhaber neben seinem „Hauptberuf“ als Finanzminister ohne größere Stäbe in Brüssel oder seinem Heimatland ausübt. Anders als Dijsselbloem und dessen Vorgänger Jean-
Claude Juncker muss der Portugiese sein Amt, zu dem in normalen Zeiten regelmäßige Reisen in die Eurostaaten gehören, aus der Peripherie heraus wahrnehmen.
Wachsende Unzufriedenheit
Freilich waren etliche Eurofinanzminister mit Centenos Amtsführung zunehmend unzufrieden. Der Portugiese sei immer wieder schlecht vorbereitet und anders als sein Vorgänger nicht in der Lage gewesen, Diskussionen zu leiten und im Streit über Sachfragen Kompromisse auszuloten, heißt es unter EU-Diplomaten. Als jüngstes Beispiel gilt die Videokonferenz der Eurogruppe in der Nacht auf den 8. April, in der die Minister 16 Stunden lang ergebnislos über ein Corona-Hilfspaket stritten. Teilnehmer beschreiben das virtuelle Treffen als „Albtraum“.
Der Portugiese habe die Sitzung immer wieder für Einzelgespräche unterbrochen und die anderen Beteiligten stundenlang buchstäblich im Dunkeln sitzen lassen. Dass die Minister zwei Tage später doch noch zu einem Kompromiss fanden, sei ausschließlich der Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron sowie den Vorverhandlungen von Scholz und dessen französischem Amtskollegen Bruno Le Maire zu verdanken gewesen.
Ob Centeno den Amtsverzicht auf der Videokonferenz der Eurogruppe an diesem Freitag seinen Amtskollegen offiziell mitteilt, ist offen. Anscheinend hat er sich vorgenommen, die Verhandlungen zu dem nicht zuletzt selbst stark gewünschten Corona-„Wiederaufbaufonds“ abschließen zu können. Das ist aber unrealistisch, weil die Staats- und Regierungschefs das Thema der Eurogruppe aus der Hand genommen haben und von der EU-Kommission einen Vorschlag erwarten, wie sich ein Konjunkturprogramm aus Mitteln des EU-Haushalts finanzieren lässt.
Die Nachfolgediskussion hat indes schon begonnen. Als logische Favoritin Centenos gilt die spanische Wirtschafts- und Finanzministerin Nadia Calviño. Ihre Wahl erhielte in der Eurogruppe die geographische und parteipolitische Balance, da sie wie Centeno den Sozialisten nahesteht. Außerdem kennt sie sich als beurlaubte Generaldirektorin der EU-Kommission gut in Brüssel aus. Aus einigen Mitgliedstaaten sind Vorbehalte laut geworden, weil sie es als Vorsitzende des Gouverneursrats der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) zu verantworten hat, dass sich die EU auf keinen Nachfolgekandidaten für den scheidenden EBRD-Präsidenten Suma Chakrabarti einigen kann und sich nun drei europäische Kandidaten blockieren.
Wegen dieser Vorbehalte könnte auch der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna, der vor zweieinhalb Jahren Centeno unterlegen war, wieder ins Rennen gehen. Der ehemalige Diplomat gilt nicht als ökonomisches Schwergewicht, aber als freundlich und ausgleichend. Falls die Vorbehalte gegen Calviño bestehen blieben, wäre er ein allgemein akzeptierter Kompromisskandidat. Die irische Regierung erwägt offenbar, Finanzminister Paschal Donohoe ins Rennen zu schicken. Er käme aber wohl nur in Frage, wenn sich Calviño und Gramegna gegenseitig blockierten.