Russland-Sanktionen : Nord Stream 2 ist nicht Trumps Sache
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Das Dashava Gaslager im ukrainischen Stryi. Das krisengeschüttelte Land könnte einer der Verlierer beim Bau der Nord-Stream-2-Pipeline sein. Bild: EPA
Der Investitionsstandort Europa ist von Importgas abhängig. Umso wichtiger für Europa, sich nicht auf einen Versorger festzulegen. Doch wie lassen sich Transitrisiken vermindern? Ein Gastbeitrag von Rainer Seele.
Mit dem Schlachtruf „America First“markiert Präsident Donald Trump eine Wende in den transatlantischen Beziehungen. Kanzlerin Angela Merkel hat darauf mit ihrer Münchner Bierzeltrede selbstbewusst reagiert. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei“, sagte sie. „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen. Wir müssen selbst für unsere Zukunft kämpfen, als Europäer, für unser Schicksal.“
Europa ist dabei, sich unabhängiger und damit autarker zu machen. Und das gilt nicht nur für die Außen- und Sicherheitspolitik. Das gilt natürlich auch in der Energiepolitik. America First heißt ja auch, dass Amerika den europäischen Gasmarkt für sich entdeckt hat. Der Senat übt Druck aus, indem er die geplante Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ganz offenkundig in ein neues Sanktionsgesetz aufnimmt – mit dem klaren und unverhohlenen Hinweis auf amerikanische Arbeitsplätze und Wirtschaftsinteressen. Amerikanisches Flüssiggas (LNG) konkurriert natürlich mit russischem Pipelinegas – dagegen ist auch nichts einzuwenden. Aber es muss klar sein, und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel spricht es prägnant aus: Europas Energieversorgung ist immer noch eine europäische Angelegenheit und nicht eine der Vereinigten Staaten. In diesem Licht ist auch die Diskussion um Nord Stream 2 zu sehen. Amerika sowie Polen und die baltischen Staaten im Schlepptau haben kein Veto- und Blockaderecht gegen europäisch-russische Erdgasbeziehungen, Pipelines eingeschlossen.
Aus europäischer Sicht, gerade mit Blick auf Versorgungssicherheit bei Erdgas, wird Nord Stream 2 faktisch unverzichtbar. Wir haben in Europa eine klar rückläufige Gasproduktion. Wir brauchen mehr Importgas. Natürlich gibt es Flüssiggas aus Mittelost, aus Amerika; natürlich gibt es immense Gasimporte aus Norwegen – aber das zeigt doch nur: Gas hat längst seine politische Hebelwirkung verloren, weil die Bezugsquellen mittlerweile zu vielfältig und diversifiziert sind. Nord Stream 2 schafft zusätzliche Transportlogistik, die wir brauchen; sie schafft ein zusätzliches Angebot, verpflichtet aber nicht zum Kauf. Klar, und auch das ist ein Fakt: Nord Stream 2 schafft nicht nur ein zusätzliches Angebot, sie schafft dank niedriger Transportkosten ein äußerst attraktives Angebot mit klarem Vorteil für die Kunden: Versorgungssicherheit und billiges Gas. Und das privat finanziert von Unternehmen, ohne Gelder der Europäischen Union.
Wirtschaftsinteressen im Würgegriff nationalistischer Politik
Niemand ist zum Kauf von russischem Erdgas verpflichtet. Auch aus diesem Grund hat die EU in der Vergangenheit den Bau von LNG-Terminals zum Beispiel in Polen mitfinanziert und so eine Transportinfrastruktur geschaffen für Flüssiggas. Polen will auch über die sogenannte Baltic Pipeline Gas aus Norwegen beziehen. Und noch ein Paradoxon: Polen will auf russisches Gas ganz verzichten, nicht aber auf die Transitgebühren, die für die Nutzung polnischer Pipelines durch Gasprom fällig werden. Übrigens: Russland hat Interesse, trotz Nord Stream, auch die polnischen Pipelines weiter zu nutzen – nur: Polen will nicht. So verheddern sich Wirtschaftsinteressen im Würgegriff nationalistischer Politik.
Und nochmals Klartext: Niemand in Europa ist zum Kauf russischen Gases aus der Nord Stream 2 verpflichtet. Der Markt wird entscheiden zwischen LNG und Pipelinegas. Sicher ist Flüssiggas aus Amerika eine Option für Europa, aber die Erfahrung zeigt nun mal: Der höchste Preis entscheidet, wohin das LNG geht – das Arbitrage-Potential schlägt leider voll durch. Die Tanker fahren dahin, wo höchster Profit winkt!
Es gibt einen Anbieter, der Europas wachsende Nachfrage nach Gas bedienen kann, und das ist nun mal Russland. Und die Sorgen der Ukraine? Es ist nicht unsere Aufgabe als Unternehmen, den Haushalt der Ukraine zu konsolidieren. Kiew hat über Jahrzehnte Transitmilliarden kassiert. Bedauerlicherweise hat die Ukraine das Geld nicht in die Sanierung des Pipelinenetzes investiert. Nord Stream 2 ist so unabdingbar. Wir brauchen, wegen der rückläufigen Gasproduktion in Europa, mehr Importgas, und wir können und wollen uns keine Transitrisiken leisten.
Wer den Investitionsstandort Europa nachhaltig sichern will, der muss akzeptieren, dass Energiesicherheit die Basis dafür ist; ja, Energiesicherheit gehört zur Grundlage freier Marktwirtschaften. Europa braucht Energieautarkie. Mehr noch: In freien Marktwirtschaften entscheiden Unternehmen, und sie tragen das Risiko. So ist das auch bei Nord Stream 2. Die Politik soll die Rahmenbedingungen formulieren und gestalten.