
Kommentar : Zu viel Öl
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Der Shell-Chef sagt weniger Nachfrage nach Erdöl voraus – aber damit sei frühestens gegen Ende des nächsten Jahrzehnts zu rechnen. Zukunftsmusik also? Keineswegs.
Autos, die Benzin statt elektrischen Strom tanken, werden auch noch in vielen Jahren auf den Straßen unterwegs sein. Denn Frankreich und Großbritannien wollen Verbrennungsmotoren zwar verbieten – aber eben erst in gut einem Vierteljahrhundert.
Der Chef des Energiekonzerns Shell wiederum sagt, sein Unternehmen müsse sich auf eine sinkende globale Nachfrage nach Erdöl einstellen – aber damit sei frühestens gegen Ende des nächsten Jahrzehnts zu rechnen. Zukunftsmusik also? Keineswegs.
Die Folgen des Wandels werden am Öl- und Kapitalmarkt voraussichtlich schon sehr viel früher spürbar werden. Denn es gibt zu viel Öl auf der Welt. Saudi-Arabien beispielsweise sitzt nach eigenen Angaben auf so hohen Ölreserven, dass die heutige Fördermenge bis etwa ins Jahr 2090 aufrechterhalten werden kann.
Das bedeutet: Ein in zehn Jahren erwarteter struktureller Nachfragerückgang schafft schon jetzt Anreize für die Scheichs, mehr Öl zu fördern, was wiederum schon heute die Ölpreise und damit auch die Aktienkurse von Shell und anderen Energiekonzernen unter Druck setzen kann. Denn für die großen Ölreserveländer wäre es das kleinere Übel, heute einen niedrigeren Preis zu akzeptieren, bevor ihr Ölschatz in einigen Jahrzehnten mangels Nachfrage womöglich sehr viel stärker entwertet wird.

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
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