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Ausstieg verkündet : Trump wird den Klimaschutz bremsen – aber nicht aufhalten

  • -Aktualisiert am

Tschüss Klima, hallo Urlaub! Bild: dpa

Der amerikanische Präsident löst mit dem Ausstieg aus dem Klimaabkommen ein Wahlkampfversprechen ein. Doch auch die Bundesregierung nimmt den Klimaschutz nicht ernst.

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          Zuversichtlich hatte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach dem Besuch von Präsident Donald Trump gegeben. Der habe zugehört und zugesagt, in den kommenden Monaten eine Lösung zu suchen. Drei Wochen später zeigt sich, dass Macrons Lehrstunde in internationaler Klimapolitik nichts gefruchtet hat, an der Stelle der amerikanischen Klimapolitik klafft künftig eine Leerstelle. Denn jetzt haben die Vereinigten Staaten auch förmlich mitgeteilt, sich 2020 aus dem internationalen Klimavertrag zurückzuziehen.

          Der Vertrag, der vor zwei Jahren in Paris geschlossen wurde, soll den Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzen. Einstweilen wolle man aber am Verhandlungstisch bleiben, um alle Optionen offenzuhalten und eigene Interessen zu schützen, ließ die amerikanische Regierung wissen. Das klingt nach einem Halbstarken, der sich weigert, nach Regeln zu spielen, die Regeln für die verbleibenden Spieler aber weiter bestimmen will.

          Die Hervorhebung nationaler Interessen im Klimaschutz passt zu Trumps Wahlkampfmotto „America first“. Der Präsident, dem bisher kaum etwas gelungen ist, löst nun wenigstens eines seiner Versprechen ein. Dabei vergisst er, dass der Klimawandel die ganze Erde betrifft. Stürmen, Wolken, Hitzewellen und dem Meeresspiegel sind nationale Grenzen herzlich egal. „Amerika zuerst“ könnte da eine ganz ungeahnte Bedeutung bekommen.

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          Das Pariser Protokoll schien den Klimaschutz endlich über einzelstaatliche Interessen zu stellen. Ausgerechnet die Vereinigten Staaten, die das Abkommen mit viel „Goodwill“ befördert haben, treten es jetzt mit Füßen. Was werden die Folgen sein? Dem Weltklima wird der Schwenk auf die Sicht einiger Jahre wenig anhaben. In Amerika werden die Emissionen wohl trotzdem weiter sinken, denn kohlendioxidhaltige Kohle wird ungeachtet Trumps Politik durch CO2-armes Gas abgelöst. Das ist billiger. „Fracker“ sprengen davon so viel aus dem Boden, dass es in verflüssigter Form sogar ausgeführt werden soll.

          Zudem setzt sich der Boom der erneuerbaren Energien auch in den Vereinigten Staaten fort. Wind- und Solarfarmen decken einen stetig wachsenden Teil der Stromnachfrage. Finanziert wird das nicht zuletzt durch bundes- und einzelstaatliche Subventionen, etwa Zuschüsse und Abschreibungen auf die Steuerschuld. Energiepolitik wird in Amerika weitgehend auf Ebene der Bundesstaaten gemacht. Große und wichtige wie Kalifornien, aber auch Texas oder New York schlagen ganz andere Wege ein als Trump. Würde er nach vier Jahren abgewählt, hielte sich der klimapolitische Schaden in Grenzen.

          Bis dahin dürfte Trump Gelegenheit finden, den internationalen Klimazug zu verlangsamen, nicht aber, ihn aus der Spur zu bringen. Allerdings zeigt die Ankündigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, dem Vertrag nur unter Bedingungen beizutreten, dass Trump schon erste Nachahmer gefunden hat. Solche Brüder im Geiste, die der eigenen Stärke viel, dem Multilateralismus nichts zutrauen, hat Trump mehr als genug: in Russland und Israel, in der Türkei und auf den Philippinen. Nicht nur die Klimapolitik könnte einzelstaatlichen Interessen untergeordnet werden.

          Deutsche Energiewende ist für ärmere Länder kein Vorbild für wirksamen Klimaschutz

          Neu wäre das nicht, doch schien der Schwung, den der Vertrag mit sich brachte, groß genug, um Skeptiker mitzunehmen, Widerstände zu brechen. Viel spricht dafür, dass der Stecken, den Trump dem Schwungrad der Klimapolitik in die Speichen hält, dieses bremsen wird. So wird es noch schwerer, die vollmundigen Ankündigungen mit Taten zu unterfüttern.

          China und Europa, die verbliebenen Protagonisten internationaler Klimapolitik, haben erklärt, sich von Washington nicht den Schneid abkaufen lassen zu wollen. Doch Vorsicht, die Ausgangspositionen sind höchst unterschiedlich. China, die staatskapitalistische Diktatur, will seine Klimagasemissionen von 2030 an senken. Die Europäer wollen ihre bis dahin schon um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 gesenkt haben. In der EU ist das umstritten, vor allem die Osteuropäer legen sich quer. Sie fürchten wie viele andere Schwellenländer, Klimaschutz enge sie im Streben nach Wachstum und Wohlstand ein.

          Tatsächlich gibt es eine Antwort auf die Frage, wie Wachstum, Konsum und mehr Klimaschutz zusammenpassen, nur in politischen Statements. Gelebte Beispiele fehlen. Die deutsche Energiewende ist für ärmere Länder kein Vorbild für wirksamen Klimaschutz. Hierzulande stagnieren die Emissionen trotz Milliardenausgaben für den Ökostrom auf zu hohem Niveau. Im Autoverkehr, der ein Fünftel der Klimagase erzeugt, ist nicht nur der Auswurf von Stickstoff und Rußpartikeln ein Thema.

          Wenn die nächste Bundesregierung die Klimaziele ernst nimmt, wird sie um scharfe Eingriffe mit teuren Folgewirkungen nicht umhinkommen. Immerhin sehen die Ziele den Verzicht auf bis zu 95 Prozent der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 vor. Die Industrie könnte wohl 80 Prozent erreichen, aber 95 Prozent? Ein Plan für den Kohleausstieg wird da nicht reichen. Umso erstaunlicher, dass das Klimathema im Wahlkampf fast keine Rolle spielt. Es ist nicht so, dass alles längst geklärt wäre – Trump führt es eindrucksvoll vor Augen.

          Andreas Mihm
          Wirtschaftskorrespondent für Österreich, Ostmittel-, Südosteuropa und die Türkei mit Sitz in Wien.

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