Neues Gesetzesvorhaben : Breite Front gegen digitale Stromzähler
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]Bald alles digital? Intelligente Netze sollen den Stromfluss steuern. Bild: dpa
Die Regierung will die Strombranche digitalisieren. Das kostet die Kunden Geld. Der Zwang zum Einbau smarter Zähler findet kaum Freunde. Droht ein Kampf um die Verbraucherdaten?
Geht es nach Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), dann wird die Energiewirtschaft zur ersten vollkommen digitalisierten Branche in Deutschland. Sein Instrument dafür ist das Gesetz zur „Digitalisierung der Energiewende“. Darüber soll der Bundestag bis Ende April entscheiden.
Gabriels Begründung für den Entwurf ist kurz und klingt überaus schlüssig: Kommt der Strom nicht mehr nur aus ein paar Hundert Großkraftwerken, sondern von heute schon 1,6 Millionen Kleinerzeugern, dann muss der Fluss der Elektronen mittels „intelligenter“ Zähler und ebensolcher Netze digital gesteuert werden. Hilfreich wäre es nicht nur, schnell und präzise zu wissen, wo wie viel Strom eingespeist, sondern auch entnommen wird.
Betreiber fürchten, auf den Kosten sitzen zu bleiben
In der Branche mag dem Ziel keiner widersprechen. Doch die Begeisterung über den eingeschlagenen Weg dorthin ist sehr verhalten. Auch Verbraucherschützern und den oppositionellen Grünen sind die Kosten zu hoch, die bis zum Jahr 2020 geplante schrittweise Einführung neuer Messgeräte in allen Haushalten zu rigide und die Datensicherheit zu fragwürdig. Manche sprechen abwertend von einem „Hilfsprogramm für Zählerhersteller“.
Auch die Betreiber des regionalen Stromnetzes sind über die Novelle nicht glücklich. So glauben sie nicht, dass die für die Haushalte vorgesehenen „Smart Meter“ zu den von der Regierung vorgesehenen Kosten eingebaut werden können.
„Die für das Kundengeschäft vorgesehenen Preisobergrenzen decken nicht die Kosten für den Einbau und Betrieb der intelligenten Messsysteme“, sagt Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Seine Sorge ist, dass die mit dem Einbau betrauten Versorger vor Ort am Ende auf den Kosten sitzen bleiben.
Misstrauen gegenüber den Regierungskalkulationen
Die Regierung geht von durchschnittlichen Kosten je Zähler und Verbraucher von 20 Euro im Jahr aus. Wie hoch die im einzelnen sind, kommt auf den individuellen Verbrauch an. Denn mit ihm wächst nicht nur das Einsparpotential, sondern auch der Preis, den der Versorger für die Messgeräte nehmen darf. Bei bis zu 4000 Kilowattstunden im Jahr – das entspricht dem Verbrauch eines Drei-Personen-Haushalts – liegt der Deckel bei 40 Euro, das von der Regierung erhoffte Sparvolumen macht 20 Euro aus. Bei 6000 Kilowattstunden liegt der Preisdeckel bei 60 Euro, das Sparvolumen bei 40 Euro.
Weyand traut den vom Wirtschaftsministerium angestellten Berechnungen nicht. „Entweder müssen die Preisobergrenzen angepasst oder der Umfang der Leistungen reduziert werden.“ Sonst werde es wohl nichts mit der gewünschten Modernisierung der Messtechnik.
Vor einer „Zwangsbeglückung“ der Verbraucher warnt der designierte RWE-Vorstandsvorsitzende Rolf Martin Schmitz. Bei Haushalten, die um die 6000 Kilowattstunden im Jahr verbrauchen, seien Effizienzsteigerungen, die die Mehrkosten ausgleichen, nicht zu erwarten, sagte Schmitz dieser Zeitung, und: „Wir sehen zudem auch keinen größeren volkswirtschaftlichen Nutzen in der Maßnahme.“
Betreiber und Anbieter wollen Anteile sichern
Es ist nicht allein die Sorge um die Verbraucher – deren Ärger sich womöglich vor den Türen der Versorger abladen würde – die Stadtwerke und Regionalnetzbetreiber umtreibt. Sie wollen die von ihnen gesammelten Verbrauchsdaten der Kunden nicht umstandslos an die vier Betreiber des Übertragungsnetzes abtreten. Auch im Energiegeschäft gilt das Datenmanagement als Quelle künftiger Erlöse.
Die Energiewende führe zu einem „fundamentalen Wandel im Netzgeschäft“, diagnostizieren die Berater von Oliver Wyman. „Die Bedeutung des Netzgeschäftes steigt – es wird zum größten Ergebnistreiber und fordert eine Neugestaltung mit innovativen Ansätzen in der Vermarktung“, sagt Wyman-Partner Jörg Stäglich. In Zeiten unsicherer Renditen müssten sich Versorger überlegen, wie sie sich zu den neuen Aufgaben um Speicher oder „Smart Meter“ positionierten.
Viele Anbieter kennen die möglichen neuen Geschäftsmodelle noch gar nicht. Dennoch wollen sie sich ihre Kundendaten als Basis künftiger Geschäfte jetzt erst einmal sichern – und das Datensammeln nicht den vier Betreibern des Übertragungsnetzes überlassen.
Stromerzeuger wollen Kundendaten selbst verwalten
Die aktuelle Arbeitsaufteilung zwischen Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern laufe effizient und sorge für einen hohen Grad an Versorgungssicherheit, sagt Weyand vom BDEW. Und fragt: „Warum sollen wie die Rollen jetzt neu verteilen?“ Auch dahinter steht die Sorge vor steigenden Ausgaben. Die geplante Umverteilung der Aufgaben erhöhe Komplexität und Kosten. Der Verband der Kommunalunternehmen (VKU) hatte gewarnt, das Gesetz könne für kleine unter den 900 Netzbetreibern der Anfang vom Ende sein.
Auch Konzerne wie die schwer gebeutelten Stromerzeuger Eon und RWE wollen die Kundendaten lieber selbst verarbeiten. Die zentrale Rolle der Verteilnetzbetreiber in einem zunehmend dezentralen Energiesystem müsse erhalten bleiben, heißt es bei Eon. RWE-Vorstand Schmitz warnt: „Hier jetzt Aufgaben neu zu verteilen oder effiziente Prozesse auseinanderzureißen birgt eine Menge Risiken und keine Chancen.“ Das sehe die Mehrheit der Länder im übrigen genauso, merkt er an. Sie befürchteten Zeitverzug und Doppelarbeiten. Auch dem Argument der großen Netzbetreiber, die Datenkonzentration bei ihnen fördere die Sicherheit von Versorgung und Netzbetrieb, kann Schmitz nichts abgewinnen.
Schmitz zitiert Verbraucherschützer mit dem Hinweis, dass die vier zentralen Server der vier großen Netzbetreiber Amprion, 50Hertz, Tennet und Transnet-BW von Hackern potentiell leichter anzugreifen seien als 250 Server bei diversen Verteilnetzbetreibern. Schmitz sagt: „Ich würde mich hier an Stelle des Gesetzgebers an das Motto ,never change a winning team‘ halten.“