Erneuerbare Energieträger : Wenn die Waschmaschine sich selbst einschaltet
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Angebot und Nachfrage von Strom müssen stets im Gleichgewicht sein, damit die Netzbelastung stabil bleibt. Bild: dpa
Die erneuerbaren Energieträger sorgen dafür, dass die Strom-Erzeugung bald deutlich stärker schwankt. Reagieren sollen die Kunden – mit flexiblem Verbrauch. Wie soll das funktionieren?
In der alten Stromwelt war das mit dem Angebot und der Nachfrage relativ einfach. Konventionelle Kraftwerke produzierten aus Braunkohle, Steinkohle oder Kernenergie Strom für die Verbraucher, und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Die angebotene Menge an Strom war also relativ konstant. Gleichzeitig lässt sich die nachgefragte Menge an Strom gut planen. Ab 6 Uhr, wenn die meisten Menschen aufstehen, steigt der Verbrauch stark an, erreicht gegen 8 Uhr sein erstes Hoch, nimmt am Nachmittag dann leicht ab und steigt gegen 17 Uhr noch einmal rasant an, wenn die Menschen nach Hause kommen und ihre Waschmaschinen und Fernseher einschalten.
Die Stromversorger und Netzbetreiber konnten in der alten Welt so Angebot und Nachfrage relativ einfach aufeinander abstimmen. Das ist wichtig, damit die Netzbelastung stets konstant bleibt und der Strom zuverlässig aus der Steckdose kommt.
In der neuen Stromwelt von heute (und von morgen) funktioniert das leider nicht mehr so einfach. Grund ist der zunehmende Anteil von erneuerbaren Energieträgern am Strommix, also an der Brutto-Stromerzeugung. Bereits im vergangenen Jahr betrug ihr Anteil 29 Prozent, Tendenz steigend. Die erneuerbaren Energieträger erzeugen bekanntlich nicht rund um die Uhr Strom, sondern nur in den Zeiten, in denen der Wind weht oder die Sonne scheint. Das ist ein Problem, denn der überschüssige Strom lässt sich nicht so einfach speichern.
Wie lässt sich dieses Problem lösen? Die Idee ist folgende: Wenn die Erzeugung in Zukunft (zwangsläufig) stärker fluktuiert, muss der Verbrauch eben flexibler werden. Mit anderen Worten: In der Zeit, in der viel Wind weht und auch die Sonne scheint, soll der viele Strom auch verbraucht werden. Dazu muss der Stromverbrauch innerhalb des Tages verschoben werden.
Man könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass die Waschmaschine eben zu jenen Zeiten mit hoher Stromerzeugung läuft und nicht am Abend, wenn alle gleichzeitig waschen, die Spülmaschine anwerfen und auch noch den Fernseher laufen haben.
Für Ökonomen ist die Lösung dieses Problems sonnenklar: Es braucht flexible Stromtarife, bei denen der Preis je nach Angebot und Nachfrage variiert. Einer heute veröffentlichten, repräsentativen Umfrage des Branchenverbandes Bitkom zufolge haben drei von vier Deutschen Interesse an solchen Tarifen, nur drei Prozent lehnen solche Angebote grundsätzlich ab. Als Motivation geben 58 Prozent an, damit die Produktion von Ökostrom fördern zu wollen, 57 Prozent wollen die eigenen Stromkosten reduzieren. 39 Prozent der Befragten halten eine solche Abrechnung für grundsätzlich gerechter.
Das Problem: Um den Stromverbrauch sekundengenau abrechnen zu können, braucht es intelligente Stromzähler, sogenannte „Smart Meter“. Und die sind bislang nur in sehr wenigen Haushalten installiert. Denn Einbau und vor allem Betrieb dieser Geräte sind gerade für Privatpersonen relativ teuer: Kunden mit einem jährlichen Verbrauch von 3000 Kilowattstunden zahlen etwa 35 Euro jährlich, Großkunden entsprechend mehr. Der Bundestag hat deshalb im Sommer ein Gesetz verabschiedet, der schrittweise die verschiedenen Verbrauchergruppen zum Einbau von Smart Metern verpflichtet. Bis 2020 sollen so die Großverbraucher (mehr als 10.000 Kilowattstunden) mit Smart Metern ausgestattet werden, Privatverbraucher sind vorerst ausgenommen.
Bemerkenswertes Ergebnis der Umfrage ist jedoch: Fast jeder Zweite fürchtet, die Kosten würden durch flexible Stromtarife insgesamt steigen. Mehr als jeder zweite Kunde (55 Prozent) hat jedoch noch nie den Stromanbieter gewechselt, 12 Prozent gerade mal einmal. Von denen, die noch nie gewechselt haben, sagen 81 Prozent, sie seien zufrieden mit ihrem Anbieter, knapp jedem Zweiten (43 Prozent) ist der Wechsel zu aufwendig. Drei Viertel ist es wichtig, ihren Strom von einem bekannten Anbieter zu beziehen.
Die große Frage ist, wie viel Stromverbrauch innerhalb eines Tages tatsächlich verschoben werden kann und wie groß die Einsparpotentiale sind. Auch die Wissenschaft hat auf diese Fragen bislang noch keine Antworten.