Kostenanstieg : Die Netzentgelte treiben den Strompreis in die Höhe
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Weil der Grünstrom Einspeisevorrang genießt, dürfen aus dem EEG geförderte Anlagen nur in absoluten Notfällen abgeschaltet werden. Bild: dpa
Immer stärker schlagen in den Netzentgelten die Systemkosten der Energiewende zu Buche. Allein in Ostdeutschland müssen Unternehmen mit gut 20 Prozent rechnen. Was verursacht die hohen Kosten?
Die hohen Umlagen für das Stromnetz entwickeln sich zum größten Kostentreiber für die Stromkunden. Während die Reformen bei der EEG-Umlage, mit der die Verbraucher die erneuerbaren Energien direkt subventionieren, allmählich greifen, steigen die Netzentgelte rapide an. Das zeigt eine interne Analyse der Bundesnetzagentur zur Entwicklung im kommenden Jahr. Besonders beuteln wird es Industriekunden in Ostdeutschland: An die Hochspannungsleitungen des Netzbetreibers 50Hertz angeschlossene Unternehmen müssten sich auf eine Verteuerung von durchschnittlich gut 20 Prozent einstellen, heißt es in dem Papier, das der F.A.Z. vorliegt.
Für Privathaushalte werden die Netzentgelte nach Berechnungen der Bonner Regulierungsbehörde im Mittel um knapp 6 Prozent auf dann 7,27 Cent je Kilowattstunde steigen. Damit erhöhen sie sich doppelt so schnell wie die EEG-Umlage, die Haushaltskunden im kommenden Jahr 6,35 Cent je Kilowattstunde kosten wird.
Die Netzkosten machen im Schnitt schon mehr als ein Fünftel des Strompreises aus, regional kann es auch deutlich mehr sein. Die Tendenz geht überall klar nach oben. „Die Stromkunden werden sich in den kommenden Jahren auf weiter steigende Netzentgelte einstellen müssen“, sagte ein Sprecher der Netzagentur. Die Energiewende erfordert milliardenhohe Investitionen in den Netzausbau. Zusätzlich treiben die jüngsten Kompromisse der großen Koalition die Kosten weiter in die Höhe. Allein die von Bayern durchgesetzte Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen wird laut Wirtschaftsministerium in den kommenden Jahren bis zu 8 Milliarden Euro verschlingen.
Entschädigungszahlungen von 83 Millionen Euro
Immer stärker schlagen in den Netzentgelten die Systemkosten der Energiewende zu Buche. Um Schwankungen im Aufkommen von Wind- und Sonnenstrom auszugleichen, müssen die Netzbetreiber inzwischen fast täglich in den Kraftwerkspark eingreifen, damit Kohle- und Gasmeiler herauf- oder heruntergefahren werden. Verschärft wird die Situation durch Engpässe im Leitungsnetz, die einen großräumigen Ausgleich erschweren. „Es zeigt sich, dass vor allem die Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz und Tennet einen hohen Aufwand betreiben müssen, um das Netz stabil zu halten“, sagte der Behördensprecher. An den in ihren Gebieten stark steigenden Netzentgelten sehe man auch, „welche Folgekosten es hat, wenn die für die Energiewende benötigten Leitungen nicht rechtzeitig fertiggestellt werden“.
Der „Redispatch“, wie die Eingriffe in die Kraftwerkssteuerung im Branchenjargon heißen, kostete im vorigen Jahr schon fast 200 Millionen Euro. Seitdem sei der Aufwand noch einmal deutlich gestiegen. Weil der Grünstrom Einspeisevorrang genießt, dürfen aus dem EEG geförderte Anlagen nur in absoluten Notfällen abgeschaltet oder heruntergeregelt werden. Dafür gibt es eine Entschädigung, die ebenfalls auf die Netzentgelte umgelegt wird.
Auch diese Kosten schießen in die Höhe, wie aus dem noch unveröffentlichten Monitoring-Bericht für den politischen Beirat der Netzagentur hervorgeht: Die „Ausfallarbeit“ habe sich im vorigen Jahr verdreifacht, Entschädigungszahlungen von 83 Millionen Euro wurden dafür fällig. In Norddeutschland seien „an weit über der Hälfte der Tage“ Windräder im Leerlauf bezahlt worden, heißt es in dem Bericht, der dieser Zeitung vorliegt. Reformbedarf sieht die Behörde vor allem bei den stark gestiegenen Sondervergütungen für „vermiedene Netzentgelte“: Anspruch darauf haben die Betreiber der wachsenden Zahl von dezentralen Anlagen, die ihren Strom in der Nähe der Endverbraucher direkt in das Verteilnetz einspeisen. Allein dafür dürften in diesem Jahr Zahlungen von mehr als 1,5 Milliarden Euro fällig werden, 50 Prozent mehr als noch vor vier Jahren.