Energiekrise : Zum Gassparen anregen
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Wer die Heiztemperatur senkt, spart Energie und Geld. Bild: dpa
Hohe Gaspreise geben den stärksten Impuls, den Energieverbrauch zu senken. Doch kennt die Verhaltensökonomie Kniffe, um den Einspareffekt noch einmal deutlich zu erhöhen. Ein Gastbeitrag.
In den kommenden Monaten wird es darauf ankommen, Gas einzusparen. Klar ist, dass hohe Gaspreise den stärksten Anreiz zum Gassparen liefern. Viele Unternehmen und Haushalte sind aber vor steigenden Preisen geschützt, so dass die massiven Energiepreiserhöhungen auf den Großhandelsmärkten nur verzögert bei den Verbrauchern ankommen. Noch dazu sind extreme Preisanpassungen politisch schwer durchsetzbar. Was kann also getan werden, um Gassparen zu unterstützen?
Hier lohnt es sich, auf verhaltensökonomisch motivierte Maßnahmen zu schauen. Sie können die Wirkung von Preisanreizen verstärken, indem sie den Empfängern Hilfestellungen bei der Umsetzung von Energiesparvorhaben geben. Die Forschung zeigt, dass dadurch Einspareffekte von etwa 2 bis 10 Prozent, in Einzelfällen sogar von bis zu 35 Prozent erzielt werden können. Diese „weicheren“, nichtpreisbasierten Maßnahmen haben verschiedene Vorzüge: Sie führen zu keinen direkten finanziellen Belastungen, ge- und verbieten nichts, sondern erhalten die Handlungsspielräume. Sie sind auch risikoarm, da sie im Rahmen von kurzfristigen Pilottests ausprobiert werden können. Maßnahmen, die in den Tests funktionieren und auf Akzeptanz stoßen, können anschließend flächendeckend angewendet werden. Was nur in bestimmten Bevölkerungsgruppen funktioniert oder akzeptiert wird, bleibt auf diese Gruppen beschränkt.
Direkte Ansprachen
Die kürzlich angelaufene Kampagne des Bundeswirtschaftsministeriums, mit der die Gesellschaft zum Energiesparen motiviert werden soll, geht also in die richtige Richtung. Wichtig ist nun eine möglichst wirksame Umsetzung: Informationskampagnen sind besonders effektiv, wenn sie zielgerichtet auf die Adressaten zugeschnitten sind und nützliche, klar verständliche und umsetzbare Empfehlungen liefern. Direkte Ansprachen durch Briefe oder digitale Kommunikationswege können genutzt werden, um etwa über zu erwartende Preissteigerungen oder konkrete Einspartipps zu informieren. Dabei sollten nicht nur öffentliche Institutionen aktiv werden, sondern ein breites Bündnis diverser Akteure wie beispielsweise Verbraucherzentralen, Energieversorger oder Wohnungsgesellschaften.
In Verbindung mit den Informationskampagnen sollten weitere verhaltensökonomische Mechanismen genutzt werden, etwa soziale Vergleiche oder Selbstverpflichtungen beziehungsweise Zielsetzungen. Durch den Vergleich mit dem Energieverbrauch anderer Haushalte erhalten Verbraucher Informationen über das eigene Verhalten („Mit wie viel Gas kann ein ähnlicher Haushalt auskommen?), wird eine soziale Norm angesprochen und der Wettbewerbsgedanke geweckt.
Ein gemeinsames Ziel
Selbstverpflichtungen und Zielsetzungen („Ich spare in den nächsten Monaten 20 Prozent Gas ein“) schaffen einen Referenzpunkt und können durch ihren verbindlicheren Charakter dabei helfen, langfristige Ziele zu erreichen. Sie können zusätzlich mit einem kurzfristigen Anreizsystem verknüpft sein, etwa mit Einsparprämien für Haushalte und Unternehmen („Wer dieses Ziel erreicht, erhält eine Prämie“). Regionen, die regelmäßig Engpässe wie temporäre Strom- oder Wasserknappheiten zusammen vermeiden müssen, haben es so meist geschafft, einen gesellschaftlichen Konsens, ein gemeinsames Ziel, zu etablieren: In den kommenden Jahren müssen wir Gas einsparen.
Besonders vielversprechend sind dabei Rückmeldungen zum aktuellen Gasverbrauch, idealerweise gerätespezifisch und in Echtzeit. So zeigen Studien zu Technologien, die den Energieverbrauch während des Duschens sichtbar machen, Einsparungen von 15 bis 35 Prozent. Der Effekt findet sich selbst in Hotels, in denen Kunden keine finanziellen Anreize zum Energiesparen haben. Auch beim Stromverbrauch helfen gerätespezifische Echtzeitfeedbacks beim Sparen. So kann der aktuelle Verbrauch des Trockners, der Waschmaschine oder der Klimaanlage sichtbar gemacht und die Wirkung von Verhaltensanpassungen erlebt werden. Rückmeldungen werden zwar kurzfristig flächendeckend schwer umsetzbar sein.
Es könnte aber schon helfen, regelmäßig zur selbständigen Ablesung des Gasverbrauch aufzufordern und eine automatisierte Einschätzung des bisherigen Verbrauchsverhaltens anzubieten. Insgesamt gilt die Devise, die Erfolge von Verhaltensanpassungen so spürbar wie möglich zu machen. Dies gilt nicht zuletzt für eine Reduktion der Raumwärme in den kalten Jahreszeiten, die den größten Anteil am Energieverbrauch der Haushalte ausmacht.
Funktionieren Informationskampagnen und verhaltensökonomische Maßnahmen immer? Keineswegs, das haben unsere eigenen Studien gezeigt. Sie sind auch kein Ersatz für starke marktliche Anreize, aber eine nützliche Ergänzung, insbesondere wenn sie zielgerichtet eingesetzt werden. Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen, wie Bäckereien, Hotels, landwirtschaftliche Betriebe, haben ihrem Energieverbrauch bisher oft wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Weiche Maßnahmen können sie beim Energiesparen kurzfristig besonders unterstützen. Letztlich geht es bei der größten energiewirtschaftlichen Krise der vergangenen Jahrzehnte um jedes Prozent Gas, welches wir weniger verbrauchen.
Mark A. Andor ist Leiter der Forschungsgruppe „Prosoziales Verhalten“ RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.
Andreas Löschel ist Professor für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum und am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.