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Wirtschaftskriminalität : Ein bisschen Hoffnung für Wirecards Aktionäre

Schattenmänner in Aktion: Die Silhouetten von Wirecard-Chef Markus Braun und Finanzvorstand Alexander von Knoop im April 2019 Bild: Reuters

Ein geschädigter Privatanleger darf um sein verlorenes Geld kämpfen. Einfach wird das nicht.

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          Ein Banker will es wissen: Der Kapitalmarktexperte Kurt Ebert wurde vom Bayerischen Obersten Landesgericht nun als „Musterkläger“ im Wirecard-Prozess gegen EY zugelassen. Damit geht ein monatelanges Gezerre um einen passenden Kandidaten zu Ende.

          Bettina Weiguny
          Freie Autorin in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          An Kurt Eberts Fall wird nun exemplarisch ausgelotet, ob und wie die Wirtschaftsprüfer bei Deutschlands größtem Wirtschaftsskandal versagt haben und ob die durch den Zusammenbruch von Wirecard um Milliarden geprellten Privatanleger einen Anspruch auf Schadensersatz haben. In dem sogenannten Kapitalanleger-Musterverfahrensprozess, kurz KapMuG, wird Ebert vertreten von der Münchener Kanzlei Mattil sowie dem Anwalt Elmar Vitt. Alle anderen Anlegerverfahren, Hunderte sind allein in München aufgelaufen, ruhen so lange. Andere Wirecard-Aktionäre haben jetzt sechs Monate Zeit, sich an die Klage anzuhängen.

          Ebert hat mit dem Zusammenbruch des einstigen Börsenlieblings Wirecard eine halbe Million Euro verloren. „Das Geld hätte ich gerne zurück, am liebsten komplett“, sagt er.

          Der ehemalige Dax-Konzern ist im Juni 2020 in die Insolvenz geschlittert, nachdem der Vorstandsvorsitzende Markus Braun einräumen musste, dass 1,9 Milliarden Euro fehlten, die auf Treuhandkonten in Manila hätten liegen sollen. Die Klage richtet sich deshalb nicht nur gegen die Wirtschaftsprüfer, sondern auch gegen Braun und zwei andere Vorstandsmitglieder.

          Das Auftauchen von Anwalt Elmar Vitt und der Kanzlei Mattil mit ihrem Musterkläger Ebert kam für viele überraschend, zählen sie doch nicht zu den einschlägig bekannten Kanzleien wie Tilp oder Schirp, die andere Kandidaten ins Rennen schicken wollten. Diese lehnte der Senat indes als „deutlich weniger geeignet“ ab. Bei den einen bemängelten sie Interessenkonflikte, weil sie ein Anlegermagazin herausgeben, das über das Verfahren berichten will. Beim nächsten fehlte die fachliche Qualifikation, ein anderer wurde nur „hilfsweise“ vorgeschlagen.

          Die Hürde liegt hoch

          Das Gericht sieht in Kurt Ebert den besten Kandidaten: Der gebürtige Badener hat eine Banklehre absolviert und anschließend BWL studiert. Während seines 40-jährigen Berufslebens hat er im Kapitalmarktgeschäft großer Banken in leitenden Positionen gearbeitet. Heute ist der Investmentbanker als selbständiger Berater im Finanzsektor tätig. „Ich bin kein naiver Privatanleger“, sagt er. „Ich weiß sehr wohl, was eine Börsenzulassung ist, was ein Testat ist, wie man eine Bilanz liest und was ein Leerverkaufsverbot ist.“ Aber im Betrugsfall von Wirecard hat ihm das alles nichts geholfen. „Mein Mandant konnte von außen nicht erkennen, dass da etwas grundlegend im Argen liegt“, erklärt Anwalt Vitt. „Aber die Prüfer, die hätten das sehen können, mehr noch: sehen müssen. Sie haben Wirecard aber immer wieder ein vollumfängliches Testat ausgestellt.“

          Sollte das Gericht sich ihrer Sichtweise anschließen, dann wird es für die Wirtschaftsprüfer eng: Denn die Kläger wollen ihnen nachweisen, dass sie vorsätzlich gehandelt haben. „Unserer Meinung nach handelt es sich um vorsätzliche sittenwidrige Schädigung“, sagt Vitt. Im Kern geht es dabei um Paragraph 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

          Die Hürde, den Prüfern einen Vorsatz nachzuweisen, liegt allerdings hoch. Fehler mag es gegeben haben, Nachlässigkeiten, vielleicht Versäumnisse, das streitet EY gar nicht ab. Aber Vorsatz? „Die Ansprüche gegen EY sind unbegründet“, erklärt ein Sprecher. Das hätten bisher alle erstinstanzlichen Urteile bestätigt. Tatsächlich haftet der Abschlussprüfer nur bei Vorsatz. „Diese Haftung haben die Gerichte bislang abgelehnt“, so der Sprecher. „Wir gehen davon aus, dass diese Position auch im KapMuG-Verfahren vertreten wird.“

          Die Bafin ist fein raus

          Dass die EY-Prüfungsteams ihre Arbeit bei Wirecard nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt haben, zweifeln Privatanleger Kurt Ebert und seine Anwälte an. Es gab schließlich gravierende Unstimmigkeiten, die „Financial Times“ berichtete wieder und wieder darüber. Die kritischen Berichte haben Ebert damals zu denken gegeben. „Aber wem sollte ich im Dickicht der Informationen glauben?“, fragt er. „Auf der einen Seite gab es die FT, auf der anderen standen in Deutschland staatliche Behörden wie die Finanzaufsicht Bafin, und dazu kamen die Jahresabschlüsse – testiert von EY, einer der größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt.“ Um sein Risiko zu minimieren, hätte er damals „das alles ignorieren und zu 100 Prozent den Journalisten vertrauen müssen“. Das erschien dem Kapitalmarktexperten dann doch zu unwahrscheinlich.

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