Neue Wirtschaftssenatorin : Ein Bekenntnis für Hamburgs Hafen
- -Aktualisiert am
Melanie Leonhard (SPD) hat in ihrer neuen Rolle als Wirtschaftssenatorin die Zukunft des Hafens im Blick Bild: dpa
Kaum im Amt, geht Melanie Leonhard die heikelsten Themen der Hansestadt an – und will dafür den Bund in die Pflicht nehmen.
Langsam aber sicher wird Hamburg auf der Liste der wichtigsten Häfen nach unten durchgereicht. In Europa sind Rotterdam und Antwerpen längst vorbeigezogen, international schaffte es Hamburg zuletzt gerade noch auf Platz 20. Das müsste ein großes Thema sein in einer Stadt, für die der Hafen identitätsstiftend ist, und auch in der deutschen Politik, da große Teile der Wirtschaft von der Logistik in Hamburg abhängig sind. Beides ist nicht der Fall, bisher.
Mit Melanie Leonhard als neuer Wirtschaftssenatorin in Hamburg dürfte sich das ändern. „Rotterdam und Antwerpen sind Konkurrenz-Häfen, die von einer nationalen Strategie profitieren“, erklärt die SPD-Politikerin kurz und knapp die Umstände und fordert vom Bund, sich ähnlich zu positionieren: „Ein nennenswertes Engagement wäre nötig und ein Bekenntnis, dass Hamburg kein regionaler Hafen ist.“
Tatsächlich steht im Koalitionsvertrag der Ampel, dass eine nationale Hafenstrategie erarbeitet werden soll, doch bisher ist nicht viel passiert. An der Auftaktveranstaltung nahm der zuständige Verkehrsminister Wissing gar nicht selbst teil. Leonhard hätte ohnehin gern auch Wirtschaftsminister Habeck noch in der Verantwortung. Es gehe nicht nur um Verkehrswege, es gehe um Wirtschaft und um Potentiale in der Energieversorgung.
Dauerthema Elbschlick
Melanie Leonhard steht vor rund 50 Zuhörern im Atlantic-Hotel auf Einladung des Clubs Hamburger Wirtschaftsjournalisten, eine kleine Person mit leiser Stimme, die hier erste Pflöcke einhaut, unaufgeregt und doch deutlich, kaum vier Wochen nach ihrer Berufung als erste Wirtschaftssenatorin. Nicht nur strategisch sieht sie den Bund in der Pflicht, sondern auch ganz praktisch und kurzfristig, wenn es darum geht, die Erreichbarkeit des Hafens und die Verkehrssicherheit auf der Elbe zu gewährleisten. Der Schlick in der Elbe ist ein Dauerthema. Er lagert sich im Hafen und in der Fahrrinne des Flusses ab und muss regelmäßig beseitigt werden, damit die Wasserstraße gefahrlos benutzt werden kann.
Um die Frage, wohin der Elbschlick verbracht werden kann, sind heftige politische Kämpfe entbrannt, die von der neuen Wirtschaftssenatorin in wenigen Sätzen strukturiert werden. Die von den Nachbarländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen abgelehnte Lösung der Verklappung nahe der Vogelschutzinsel Scharhörn sei weiter im Spiel, stellt sie klar: Sie sei auch genehmigungsfähig. Unter den Alternativen hebt sie die „ausschließliche Wirtschaftszone“ weit draußen in der Nordsee hervor, wofür aber der Bund seine Prioritäten neu setzen und die Genehmigungen schnell bearbeiten müsse: „Bisher hieß es immer, man habe keine Kapazitäten, man fange frühestens 2025 an zu prüfen“, berichtet Leonhard. Nun soll es Anfang Februar ein Treffen mit dem Bund geben.
Verhandlungssicher und durchsetzungsstark
Die Bundespolitiker treffen keineswegs auf ein politisches Leichtgewicht. Melanie Leonhard, die dem parteilosen einstigen Siemens-Manager Michael Westhagemann als Wirtschaftssenatorin nachfolgt, gilt als verhandlungssicher und durchsetzungsstark und verfügt über einen breiten Erfahrungsschatz. Die 45 Jahre alte promovierte Historikerin und Mutter eines Sohnes gehört seit 1999 der SPD an.
Damals hatte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr hinter sich und ihr Studium der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte begonnen. Mit einem Promotionsstipendium zog es sie zum Deutschen Schifffahrtsmuseum nach Bremerhaven, danach arbeitete sie für die Investmentgesellschaft des Unternehmers Erck Rickmers, bevor sie im Archäologischen Museum Hamburg die Leitung der Abteilung Stadtgeschichte Harburg übernahm, jenem Stadtteil, in dem sie aufgewachsen war und als Mitglied der Bezirksversammlung erste politische Erfahrung gesammelt hatte.
2011 wurde Melanie Leonhard erstmals in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt, im Jahr 2018 erhielt sie bei der Wahl zur SPD-Vorsitzenden der Hansestadt 95 Prozent der Stimmen. Da war sie schon seit drei Jahren Senatorin für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, zunächst im Senat des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz, danach mit Peter Tschentscher als Erstem Bürgermeister, wobei seit 2020 auch das Ressort Gesundheit zu ihrem Aufgabenbereich gehörte. Als sie Ende 2022 dieses Multi-Krisen-Amt hinter sich ließ, um in die Wirtschaftsbehörde zu wechseln, soll sie geweint haben. Viel ist von ihrer Empathie die Rede, von der Fähigkeit, jedem Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.
Gleichzeitig gilt sie als Arbeitstier. Die Bild-Zeitung urteilte nach ihrer Berufung: „Absolute Spielmacherin, an ihr kommt keiner vorbei.“ Das wird auch in Berlin wahrgenommen. Als im Zuge des Rücktritts von Verteidigungsministerin Lambrecht Gedankenspiele einer Kabinettsumbildung im Raum standen, soll auch der Name Melanie Leonhard gefallen sein. Dass Leonhard auf ihrem neuen Posten in der Wirtschaftsbehörde einiges bewegen kann, wird selbst in SPD-fernen Unternehmerkreisen nicht bezweifelt. Vielen erscheint es gar sicher, dass Tschentscher in Melanie Leonhard seine Nachfolgerin im Bürgermeisteramt sieht.