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Automatisierung der Arbeit : Übernehmen Roboter unsere Jobs vorerst doch nicht?

Übernehmen offenbar vorerst doch nicht den ganzen Arbeitsmarkt: Roboter auf dem Mobile World Congress in Barcelona. Bild: EPA

Britische Statistiker haben untersucht, wie viele Menschen ihren Job an Maschinen verlieren könnten. 1,5 Millionen Engländer sind besonders gefährdet. Doch der Trend zeigt: Manche pessimistische Warnung war offenbar voreilig.

          3 Min.

          Das britische Office of National Statistics (ONS) hat eine neue Studie veröffentlicht, die untersucht, wie wahrscheinlich es ist, dass Berufe durch Automatisierung der Tätigkeiten wegfallen. Sie zeigt, dass 7,4 Prozent der Beschäftigten in England einem hohen Risiko ausgesetzt sind, dass ihr Arbeitsplatz ersetzt wird, weil Algorithmen oder Roboter die Tätigkeit genauso gut oder besser ausüben können. Das sind etwa 1,5 Millionen Menschen.

          Alexander Wulfers
          Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Entgegen der allgemeinen Befürchtung ist diese Zahl in den letzten Jahren aber gefallen. 2011 hatte sie noch bei 8,1 Prozent gelegen. Damit sind 46.000 weniger Menschen einem hohen Automatisierungsrisiko ausgesetzt. Als hohes Risiko definiert das ONS eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 70 Prozent, dass der Beruf automatisiert werden kann.

          Die Gründe für den Rückgang sind unklar. Das ONS hält es für möglich, dass einige Arbeitsplätze schon durch Maschinen ersetzt wurden und deshalb in der Statistik nicht mehr auftauchen. Ein Beispiel dafür seien Selbstbedienungskassen im Supermarkt. Diese würden immer verbreiteter und hätten den Bedarf an Kassierern stark reduziert.

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          Gleichzeitig sei aber die Gesamtzahl der Arbeitsplätze gestiegen. So arbeiteten im Jahr 2017 10 Prozent mehr Menschen in einfachen Verkaufsberufen als noch 2011 und das trotz der hohen Automatisierungswahrscheinlichkeit in dieser Branche. Zum Großteil seien neue Arbeitsplätze aber in Berufsfeldern mit niedriger oder mittlerer Automatisierungsgefahr entstanden. Daraus folgert das ONS, dass sich der Arbeitsmarkt bereits verändere: Jobs entstehen vermehrt da, wo Aufgaben komplexer sind und sich Menschen weniger leicht durch Maschinen ersetzen lassen.

          Frauen und junge Menschen sind stärker gefährdet

          Um das Risiko der Automatisierung zu ermitteln, untersuchte das ONS, welche Aufgaben Beschäftigte in den jeweiligen Berufen ausüben und wie wahrscheinlich es ist, dass diese Aufgaben automatisiert werden können. Routine-Aufgaben mit hoher Regelmäßigkeit seien dabei besonders leicht ersetzbar, weshalb insbesondere Menschen in weniger anspruchsvollen Berufen gefährdet seien.

          Am meisten gefährdet seien demnach Kellner, Regalfüller und einfache Verkäufer. Bei ihnen liege das Risiko, durch eine Maschine ersetzt zu werden, bei über 70 Prozent. Die am wenigsten von Automatisierung betroffenen Berufe sind der Studie zufolge Mediziner, Hochschullehrer und andere Fachkräfte in Bildungseinrichtungen. Bei ihnen betrage das Risiko etwa 20 Prozent.

          Das ONS untersuchte auch, welche Bevölkerungsgruppen besonders durch Automatisierung gefährdet sind. Frauen sind demnach häufiger betroffen als Männer, sie besetzen zur Zeit 70 Prozent der englischen Arbeitsplätze mit hohem Risiko. Unter den Altersgruppen sind die 20- bis 24-Jährigen am stärksten vertreten. Das Risiko fällt bis zur Gruppe der 35- bis 39-Jährigen, in der nur 1,3 Prozent gefährdet sind, und beginnt dann mit höherem Alter wieder zu steigen.

          Ein hoher Bildungsgrad hilft

          Das erklärt sich das ONS damit, dass Arbeiter in der Regel weitere Fähigkeiten im Laufe ihrer Karriere erlangen und somit schwieriger zu ersetzen werden. Junge Menschen beginnen außerdem oft in Positionen, die einen hohen Routine-Anteil beinhalten, wechseln dann aber später den Beruf und übernehmen komplexere Aufgaben. Generell sei der Arbeitsmarkt sehr dynamisch und Menschen wechselten den Arbeitgeber oft.

          Auch Menschen in Teilzeitanstellungen sind laut der Studie stärker von Automatisierung bedroht. Sie übernehmen häufiger Routine-Aufgaben als Vollzeitbeschäftigte. Das betrifft vor allem Frauen, die im Alter von 30 bis 50 Jahren häufiger in Teilzeit arbeiten. Letztlich, schreibt das ONS, „bestimmt aber der Beruf die Wahrscheinlichkeit der Automatisierung und nicht die Arbeitszeitregelung“.

          Wer hingegen einen höheren Bildungsgrad hat, der ist weniger der Gefahr ausgesetzt, seinen Job an einen Algorithmus zu verlieren. 87 Prozent der Positionen mit geringem Automatisierungsrisiko waren im Jahr 2017 mit Personen mit Hochschulabschluss besetzt, wohingegen 99 Prozent der Beschäftigten mit hoher Gefährdung keinen Hochschulabschluss hatten.

          „Automatisierung wird Gesellschaft verändern“

          Generell gebe es eine hohe Korrelation zwischen der Wahrscheinlichkeit von Automatisierung und dem Anteil der hoch qualifizierten Arbeitsplätze in einer Branche, sagt das ONS. Computerprogrammierer, Berater, Forscher und Ingenieure seien in der Regel hochqualifiziert und auch nur schlecht durch Technologie zu ersetzen, Gärtner und Pflegekräfte hingegen sowohl niedrig qualifiziert als auch leichter ersetzbar.

          „Es ist wichtig Automatisierung zu verstehen, weil sie den Arbeitsmarkt, die Wirtschaft und die Gesellschaft verändern wird“, schreibt das ONS in seiner Pressemitteilung. „Es ist nicht so sehr der Fall, dass die Roboter alles übernehmen; aber Routine- und wiederkehrende Tätigkeiten können schneller und effizienter durch einen Algorithmus ausgeführt werden, der von einem Menschen geschrieben wurde, oder durch eine Maschine, die für diese spezifische Funktion entwickelt wurde.“

          Methodisch baut das ONS auf eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von 2016 auf. Die OECD hatte für alle Mitgliedsstaaten im Durchschnitt ein Automatisierungsrisiko von 9 Prozent der Arbeitsplätze ermittelt. Deutschland und Österreich waren mit 12 Prozent am stärksten betroffen. Anders als vorherige Studien, die ein Risiko von bis zu 47 Prozent geschätzt hatten, ist der Ansatz der OECD und des ONS konservativer. So werden zum Beispiel Verkaufsberufe nicht als vollständig ersetzbar eingestuft, weil sie eine große soziale Komponente beinhalten.

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