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Lieferdienste : Türkischer Rivale Getir übernimmt Gorillas

Fährt bald für die Konkurrenz: Ein Fahrer des Lieferdienstes Gorillas. Bild: Reuters

Getir kauft den Berliner Schnelllieferdienst Gorillas. Auf dem deutschen Markt ist es die erste größere Konsolidierung in der jungen Branche. Doch ob das fusionierte Unternehmen jemals Gewinne erzielt, bleibt unklar.

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          Nach wochenlangen Verhandlungen ist die Übernahme des Lieferdienstes Gorillas durch den türkischen Rivalen Getir abgeschlossen. Das teilte der türkische Lebensmittelbringdienst am Freitag in einem kurzen Post auf dem sozialen Netzwerk Linkedin mit. Über den Kaufpreis machte Getir keine Angaben. Finanzkreise berichten von einer Bewertung des fusionierten Unternehmens von 7 Milliarden Dollar. Bei den vergangenen Finanzierungsrunden kamen beide Lieferdienste zusammen noch auf eine doppelt so hohe Summe.

          Maximilian Sachse
          Redakteur in der Wirtschaft

          Die Gorillas-Eigner sollen hauptsächlich in Getir-Aktien bezahlt werden, dem Vernehmen nach im Wert von 840 Millionen Dollar. 40 Millionen davon sollen an das Management rund um den Gründer Kagan Sümer gehen. Dazu soll eine Summe von 100 Millionen Dollar in bar gezahlt werden.

          In der Pandemie erlebten Lebensmittellieferdienste einen Boom. 2020 gründeten sich superschnelle Lebensmittellieferdienste wie Gorillas oder Flink. Sie versprachen, Joghurtbecher oder Zahnpasta innerhalb von zehn Minuten in die eigenen vier Wände zu liefern. Das kam während der Pandemie gut an. Investoren hofften auf hohe Gewinne. Gorillas und Flink erreichten in Rekordgeschwindigkeit Einhorn-Status, Investoren bewerteten sie also mit mehr als 1 Milliarde Euro. Einen Gewinn erzielt bislang allerdings noch keiner der Anbieter, auch Getir nicht. Nun kommt für die Türken noch die aufwendige Integration des bisherigen Konkurrenten hinzu.

          In der Branche herrscht ein harter Verdrängungswettbewerb. Um Kunden zu gewinnen, tragen die Lieferdienste Rabattschlachten aus. Das kostet sie viel Geld. Außerdem machen den Unternehmen steigende Preise und hohe Personalkosten zu schaffen. Experten halten eine Konsolidierung der Branche schon lange für unausweichlich.

          Getir greift in Europa an

          Für Getir ist die Übernahme von Gorillas eine Chance, in Europa Fuß zu fassen. Der türkische Branchenpionier existiert seit 2015. Seit 2021 fahren die Lieferanten des Unternehmens auch auf deutschen Straßen Lebensmittel aus. Im März sammelte Getir knapp 700 Millionen Euro ein, kam dabei auf eine Bewertung von mehr als 10 Milliarden Dollar. Doch bislang tat sich Getir eher schwer, den etablierten Start-ups Gorillas und Flink Marktanteile abzujagen. Das soll sich durch die Übernahme ändern, Getir baut vor allem in Deutschland und Großbritannien seine Präsenz aus. Der Deal zeige, dass Getir die Konsolidierung in dem Sektor antreibe, teilte das Unternehmen aus Istanbul am Freitag mit.

          Für Gorillas ist es das Ende einer kurzlebigen Erfolgsgeschichte. Während des Hochlaufs 2020 und 2021 expandierte das Start-up beinahe wöchentlich in neue Märkte, agierte extrem aggressiv. Oft kritisiert wurde auch der Umgang der Berliner mit den eigenen Mitarbeitern. Scheinbar wollte Gründer Sümer zu schnell zu viel. Schon im Mai hatte das Unternehmen 300 Beschäftigte in der Verwaltung entlassen, die Hälfte der Mitarbeiter dort, um wenigstens die zweistelligen Millionenverluste pro Monat zu reduzieren. Zudem gab das Unternehmen bekannt, sich aus vier Märkten zurückzuziehen und sich auf die Kernmärkte in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und den USA zu konzentrieren. Gorillas kündigte zudem im Februar an, noch einmal 630 Millionen Euro einsammeln zu wollen. Dabei hatte das Unternehmen erst wenige Monate zuvor eine Finanzierungsrunde über 860 Millionen Euro abgeschlossen. Die Suche nach Investoren gestaltete sich allerdings schwierig. Über den Sommer soll Gorillas mit verschiedenen Interessenten über eine Finanzspritze oder einen Verkauf verhandelt haben.

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