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Spionagesoftware für Türkei : Ex-Manager von Finfisher werden angeklagt

Finfisher soll dem türkischen Geheimdienst MIT zugearbeitet haben. Bild: dpa

Die Münchner Staatsanwaltschaft klagt einstige Manager der insolventen Firma Finfisher an. Finfisher soll Spionagesoftware an den türkischen Geheimdienst verkauft haben.

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          Die Staatsanwaltschaft München hat vier Manager des insolventen Spähsoftware-Herstellers Finfisher wegen illegalen Exports angeklagt. Sie sollen den Trojaner „FinSpy“ unter vorsätzlicher Umgehung der EU-Exportkontrollen an den türkischen Geheimdienst MIT verkauft haben. Nun muss das Landgericht München I über die Zulassung der Anklage entscheiden, berichtet die Deutsche Presse-Agentur.

          Briefkastenfirma in Bulgarien

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Finfisher ist für eine Stellungnahme nicht mehr erreichbar. Das Unternehmen ist insolvent und hat den Geschäftsbetrieb im Frühjahr 2022 eingestellt. Zu den Kunden von Finfisher zählte auch das Bundeskriminalamt (BKA), das die Software aber nicht eingesetzt hatte. Den wesentlichen Teil ihrer Umsätze erwirtschaftete die Firmengruppe der Anklage zufolge außerhalb der EU, wofür seit Januar 2015 Exportgenehmigungen erforderlich sind. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wickelte Finfisher diese Geschäfte daraufhin über eine Briefkastenfirma in Bulgarien ab.

          Der Preis für den illegalen Verkauf an den türkischen Geheimdienst soll fünf Millionen Euro betragen haben. „FinSpy“ war das Hauptprodukt der Unternehmensgruppe. Die Software erlaubte laut Staatsanwaltschaft vollständige Kontrolle über die ausgespähten Mobiltelefone und PCs. Der türkische Geheimdienst soll die Software benutzt haben, um Oppositionelle auszuspähen.

          Opposition in der Türkei ausspioniert

          Eingebaut war die Spionagesoftware auf einer Webseite, die als Mobilisierungswebseite der türkischen Oppositionsbewegung des aktuellen Präsidentschaftskandidaten Kemal Kilicdaroglu getarnt war, berichtet die Organisation Reporter ohne Grenzen. „FinSpy“ habe wahrscheinlich die Überwachung einer großen Zahl politischer Aktivisten und Journalisten ermöglicht. Mit dem Programm könne der türkische Geheimdienst MIT Menschen lokalisieren, ihre Telefongespräche und Chats mitschneiden und alle Handy- und Computerdaten auslesen.

          Den Anstoß zu dem Ermittlungsverfahren gegen Finfisher hatten im Juli 2019 vier Nichtregierungsorganisationen gegeben: die Gesellschaft für Freiheitsrechte, Reporter ohne Grenzen, das European Center for Constitutional and Human Rights und Netzpolitik.org. Sie legten eine technische Analyse vor, dass „FinSpy“ im Jahr 2017 auf einer gefälschten Webseite der türkischen Oppositionsbewegung zum Download installiert war. Die Organisationen erstatteten Strafanzeige gegen Finfisher.

          „Das ist der zweite direkte Erfolg unserer Strafanzeige“, sagte die Vorstandssprecherin von Reporter ohne Grenzen, Katja Gloger: „Verletzungen der Pressefreiheit gehen heute in vielen Fällen mit dem Einsatz von Überwachungssoftware einher. Für die Betroffenen bedeutet jeder einzelne Fall einen massiven Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte. Vor allem in autoritären Staaten kann das für Journalisten und ihre Quellen, für Aktivistinnen und Oppositionelle dramatische Folgen haben.“

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