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Das Internet des Verhaltens
Prozessoren werden gern als Rechengehirne von Computern gedeutet und bezeichnet. Wenn nun Milliarden Computer über das Internet miteinander verbunden sind, könnte man im Netz der Netze infolgedessen auch so etwas wie ein großes künstliches Nervensystem sehen. Wie ein Organsystem der Natur ist es in der Lage, sowohl äußere Entwicklungen wie auch innere Veränderungen aufzunehmen, sie zu vergleichen und auf sie zu reagieren. Die für ihre Zuversicht bekannten Fachleute des Analystenhauses Gartner schieben in der mit hochtrabenden Phrasen ohnehin nicht sparsam umgehenden Technologiebranche nun eine weitere Formulierung nach vorne: das „Internet of Behavior“ (IoB) – das Internet des Verhaltens. Technisch entworfen hatte es in seinen Grundzügen der britische Physiker Stephen Wolfram im Jahr 2009 mit der „Computational Knowledge Engine“, der Psychologe Gote Nyman entwickelte dies an der Universität Helsinki im Jahr 2012 weiter. Apple und Microsoft greifen mit Anwendungen wie Bing oder Siri schon auf diese Grundlagen zurück. 2021 könnte ein Jahr des IoB werden, entspringt dieses Netz doch dem sogenannten Internet der Dinge, also jenem Netz, in dem vor allem Maschinen mit Maschinen kommunizieren. Dabei nutzen sie künstliche Sprachen, die zwar von Menschen entworfen wurden, die meisten Menschen heute aber gar nicht mehr verstehen. Die Geräte sind in gewissem Sinne also völlig unter sich. Und nicht nur das: Sie sind auch mit technischen Fähigkeiten ausgestattet, aus einer sich verändernden Umwelt eigene Schlüsse zu ziehen, und aus diesen Schlüssen (wegweisende) Entscheidungen zu treffen. Jeder, der einmal bei Amazon ein paar Bestellungen aufgegeben und sich anhand seiner vorausgegangenen Einkäufe die Empfehlungen der Amazon-Algorithmen ansieht, weiß, wie intelligent diese Vorschläge sein können. So formen Maschinen über die Auswertung von Daten die Aktionen anderer Maschinen, die wiederum Folgen für das Verhalten auch von Konsumenten haben können. Was daraus letztlich folgt, ist ein System, für das Klassiker des natürlichen Denkens starke Nerven brauchen. STEPHAN FINSTERBUSCH
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