25 Jahre HTML : So wurde das Internet zum Netz für alle
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Vor 25 Jahren öffnete man am Teilchenforschungszentrum CERN das Internet für die Welt. Heute erforscht man dort die Kollision von Atomkernen. Bild: dpa
Forscher um Tim Berners-Lee haben vor 25 Jahren Webseiten für alle zugänglich gemacht. Doch der gewaltige Erfolg hat so manche Schattenseite. Heute versucht der Physiker, Menschen die Kontrolle über ihre Daten zurückzugeben.
Das Internet kennt viele Geburtstage. Und es ist deshalb in seinem Kern auch schon älter als 25 Jahre. Aber am 30. April 1993 wurde am Kernforschungszentrum Cern in Genf der entscheidende Schritt vollzogen, der das Netz zu einem Phänomen für die breite Masse werden lassen sollte. An diesem Tag gab man dort unter der Regie des Internet-Pioniers Tim Berners-Lee den Zugang zu HTML-Dokumenten über Datenleitungen zur öffentlichen Nutzung frei. Damit öffnete sich das Internet tatsächlich der Welt – verbunden mit großen Hoffnungen von Berners-Lee, die inzwischen zu einem nicht geringen Teil enttäuscht worden sind. Längst versucht der Forscher mit anderen Projekten, die Freiheit im Netz zu verteidigen.
Die „Hypertext Markup Language“, die hinter dem Kürzel HTML steckt, ist eine Auszeichnungssprache zur Strukturierung digitaler Dokumente, wie zum Beispiel Texten mit Hyperlinks, Bildern und anderen Inhalten. Die visuelle Darstellung geschieht auf der Basis dieser Auszeichnung durch den Webbrowser; in den Anfangsjahren des Netzes wurde zunächst Mosaic und dann der Netscape Navigator das Browser-Programm der Wahl. Das Entscheidende jenseits der reinen Technik ist aber, dass von diesem Zeitpunkt vor exakt 25 Jahren an jeder auf Webseiten zugreifen konnte, nicht mehr nur Forschungseinrichtungen und Universitäten.
Erfolg mit zwei Gesichtern
Berners-Lee, der 1955 in London geboren wurde und in Oxford Physik studierte, verfolgte mit seiner Erfindung keinerlei kommerzielle Interessen. Er verzichtete sogar auf deren Patentierung. Er wollte vielmehr, dass das Web von Anfang an für alle frei zugänglich sei und sich schnell verbreitete. Und sein Plan ging auf. Mitte der neunziger Jahre waren es schon einige Millionen Menschen, die regelmäßig im Netz surften. Heute sind es beinahe Milliarden – und Berners-Lee ist nicht mehr in Genf, sondern lehrt, mit vielen Preisen ausgezeichnet, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston und an der Universität Oxford in Großbritannien.
Doch der Erfolg hat zwei Gesichter: Angesichts der um sich greifenden Überwachung des Netzes durch Konzerne und Regierungen sieht Berners-Lee seine Vision von einem freien Netz schon seit einigen Jahren als bedroht an. „Wir müssen die Prinzipien verteidigen, die das Netz erfolgreich gemacht haben“, fordert Berners-Lee immer wieder. Er warnt auch vor Überholspuren im Netz, die denen eröffnet werden, die Netzbetreibern für den schnelleren Transport ihrer Daten bezahlen. Und er rät allen, die ihre persönlichen Daten leichtfertig „Facebook“ oder „Google“ anvertrauen, sie sollten lieber selbst Herr über die eigenen Daten werden und diese selbst überwachen und nutzen.
Daten an einem Ort der eigenen Wahl vorhalten
Eine der vielen aktuellen Unternehmungen von Berners-Lee ist folgerichtig das „Solid“-Projekt am MIT, das eine Software entwickelt, die den Menschen die Kontrolle über ihren digitalen Zwilling, also die über ihre persönlichen Daten erhalten – und diese von den Apps und Servern, die sie erfassen, trennen soll. Mit Solid kann man entscheiden, wo die Daten gespeichert sind – auf dem Handy zum Beispiel, auf einem Server, in der Cloud oder an einem anderen Ort. Derzeit sind Buchvorlieben möglicherweise bei Amazon gespeichert, Musikpräferenzen bei iTunes, die Freunde finden sich auf Facebook. Solid zielt darauf ab, diese Daten an einem Ort der eigenen Wahl vorzuhalten. Dann wären die großen Internetkonzerne nicht mehr dazu in der Lage, auf der Basis dieser Daten so glänzende Geschäfte zu machen – und sich im Rennen um die besten Datensammlungen zur Auswertung durch Künstliche Intelligenz einen uneinholbaren Vorsprung zu verschaffen.
Die Solid-Plattform könnte auch dazu verwendet werden, persönliche Gesundheits- oder Steuerdaten zu speichern. Die wohl wichtigste Frage, die es dabei zu lösen gilt: Die Daten müssen auch in diesem System sicher bleiben und der Zugriff darauf einerseits streng geschützt, andererseits muss vertrauenswürdigen staatlichen Stellen nach entsprechenden Gerichtsbeschlüssen oder durch eine Willensbekundung des Nutzers der Zugriff möglich sein.
Noch etwas ist an dem Solid-Projekt interessant: Die Cloud, in der die Daten heute in erster Linie gespeichert werden, liegt in den Händen einiger privater Unternehmen und Regierungen. Die gesamte Speicher- und Verarbeitungsleistung in Clouds ist jedoch noch immer klein, verglichen mit der Speicher- und Verarbeitungsleistung in den Notebook-Computern und Smartphones der allgemeinen Bevölkerung. Das könnte man nutzen, wenn man hier wieder an etwas denkt, das schon früher „verteiltes Rechnen“ genannt worden ist: Datenspeicher könnten in Wohn- und Bürogebäuden eingebaut werden, koordiniert mit einem Anteil der vorhandenen Geräte. Das würde der vernetzten Welt abermals ein neues Gesicht geben. Und damit kennt Berners-Lee sich ja ganz gut aus.