Online-Werbung : Google will doch weiter tracken
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Kekskonflikt: In der Suche nach einem Cookie-Nachfolger geht es um viel Geld. Bild: Frank Röth
Cookies nerven viele Nutzer. Google will sie verbannen und arbeitet an einem Nachfolger. Eigentlich wollte der Konzern damit auch das Tracking beenden. Doch jetzt gibt es eine Kehrtwende.
Der Google-Konzern Alphabet macht eine Kehrtwende im Bereich der Onlinewerbung. Entgegen früheren Ankündigungen plant Google auch künftig Werbeanzeigen, für die Nutzer getrackt werden. Demnach soll der Google-Browser künftig „eine Handvoll an Themen“ identifizieren, für die sich der Nutzer aktuell besonders interessiert. Als Grundlage dafür dienten die Internetseiten, die jemand aufgerufen hat. Diese Interessen werden genutzt, damit die Werbebranche Nutzern Werbung anzeigen kann, die sie besonders interessiert.
Änderungen werden nötig, weil Google in seinem Chrome-Browser die Drittparteien-Cookies blockieren will. Angekündigt hat Google den Schritt das erste Mal Anfang 2020 und nannte eine Zweijahresfrist. Apple mit Safari und Mozilla mit Firefox blockieren diese schon länger, allerdings ist Chromes Marktanteil deutlich größer. Nach heftigem Protest aus der Branche und Untersuchungen von Kartellbehörden musste Google die Frist verlängern.
Drei Themen
Mit der Bekanntgabe des neuen Vorschlags begräbt der Internetriese ein erstes Konzept: Dabei sollten Werbetreibende nur Kohorten von Nutzern mit ähnlichen Interessen ansprechen können. Dieses werde nicht weiterentwickelt.
Google beschreibt den neuen Vorschlag so: Wenn Nutzer eine Seite aufrufen, werden drei Themen aus den vergangenen drei Wochen ausgewählt und der Internetseite geschickt. Diese können genutzt werden, um dem Nutzer Werbung anzuzeigen, die auf ihn zugeschnitten ist. Die Interessen sollen drei Wochen lang gespeichert und alte Themen gelöscht werden. All das geschieht auf dem Gerät des Nutzers, ohne dass externe Server, auch nicht die von Google, involviert sind. Die Nutzer können die gespeicherten Interessen einsehen und entfernen. Die Liste möglicher Interessen wird von Google kuratiert. Kategorien wie Hautfarbe, Religion oder Geschlecht sollen nicht dabei sein.
Grundlage für die Onlinewerbung
Vor knapp einem Jahr hatte Google noch mitgeteilt: „Wir werden keine alternativen Identifier bauen, um Individuen zu tracken, wenn sie im Internet browsen.“ Davon verabschiedet sich der Konzern nun offenbar. Neben den Google-Vorschlägen gibt es andere Initiativen von Unternehmen aus der Branche, die andere technische Standards für die Zeit nach dem Cookie-Aus entwickelt haben.
Bisher sind Cookies die Grundlage für einen Großteil der Onlinewerbung. Sie sorgen immer wieder für Unmut, weil nicht interessierte Nutzer sie häufig wegklicken müssen. Von Drittparteien-Cookies ist die Rede, weil diese von Dienstleistern betrieben werden. Es handelt sich um kleine Dateien, die auf den Computern der Nutzer platziert werden, um sie wiederzuerkennen. Für die Onlinewerbung sind diese Informationen hilfreich, weil die Anzeigen dadurch besser auf den Nutzer ausgerichtet werden können.
Wenn ein Möbelunternehmen weiß, dass ein Nutzer ein Sofa kaufen will, steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Werbeanzeige für ein Sofa. Damit ist der Hersteller bereit, mehr Geld für die Werbeanzeige auszugeben, und der Betreiber der Internetseite nimmt mehr ein.
Dabei kann es sich um ein Vielfaches der Einnahmen handeln, die ohne die weiteren Informationen hätten erzielt werden können. Um zu bestimmen, welche Anzeige ausgespielt wird, laufen auf Auktionsplattformen in Echtzeit Versteigerungen für den Anzeigenplatz.
Manche wollen ein Verbot
An dem System gibt es viel Kritik: Neben der ständigen Nachfrage beim Nutzer, ob er Cookies erlaubt, stört Datenschützer, dass damit viele Daten über die Nutzer gesammelt werden. Deshalb seien einzelne Menschen doch wieder identifizierbar, argumentieren sie. Branchenvertreter halten dagegen, es handle sich nur um Pseudonyme. Die EU arbeitet gerade an neuen Richtlinien zur Frage, wie und ob Werbung personalisiert werden darf. Manche fordern ein völliges Verbot.
Google sagt stets, es gehe darum, den Datenschutz zu verbessern. Viele Medienhäuser und andere Digitalunternehmen kritisieren, Google nutze den Schritt, um seine Marktmacht weiter auszubauen. Schließlich würde die Datenverarbeitung dann nicht mehr auf einem offenen Standard, also den Cookies, basieren, sondern auf dem Gerät des Nutzers stattfinden. Google hätte letztlich die Kontrolle darüber, welche Interessen angezeigt würden. Der Konzern schwinge sich zum Ersatzgesetzgeber auf, missbrauche seine Marktmacht „unter dem Deckmantel des Datenschutzes“ und verzerre den Wettbewerb, beschwerten sich am Montag einige deutsche Verbände der Werbe- und Medienwirtschaft bei der EU-Kommission. Sie schrieben, durch die Schritte von Google würde der „Zugriff auf legale Datennutzungsmöglichkeiten in unzulässiger Weise verwehrt“.
In dem Konflikt geht es um viel Geld: Betreiber von Internetseiten, darunter viele Verlage, könnten durch die Cookie-Blockade bis zu 70 Prozent Umsatz verlieren, schrieben die Verbände unter Verweis auf eine Untersuchung der britischen Wettbewerbsbehörde. Auf der ganzen Welt wurden im vergangenen Jahr für Digitalwerbung knapp 400 Milliarden Euro ausgegeben, schätzt das New Yorker Analysehaus Magna. Laut einer Schätzung der Boston Consulting Group könnte jeder zweite Euro, der für Digitalwerbung ausgegeben wird, von dem Cookie-Aus betroffen sein.