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Kommentar : Es gibt ein Leben ohne Facebook

Das Facebook-Logo, durch eine Brille gesehen. Bild: EPA

Die Angst vor Facebook, Google und Co. ist groß. Doch sie müssen nicht zerschlagen werden. Die vergangene Woche beweist: Kleine Unternehmen können sich wehren.

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          Ein Gespenst geht um unter den Besorgten dieser Welt, das Gespenst der „Gafa-Ökonomie“, benannt nach den Anfangsbuchstaben der vier Konzerne Google, Amazon, Facebook und Apple. Kapitalismusgegner schimpfen auf sie, als ob hinter ihnen eine dunkle Macht stecke, die sich die Menschheit unterwerfen wolle. Wirtschaftspolitiker und Lobbyverbände vornehmlich aus Europa warnen, die großen vier aus Amerika würden alle Wettbewerber wegbeißen und unangreifbare Monopolisten des Internetzeitalters werden. Höchste Zeit, sie mit Sondersteuern einzufangen, ihnen die Preise zu diktieren oder, besser noch, sie gleich in Stücke zu schlagen.

          Dafür gibt es einen bekannten Präzedenzfall. In Amerika wurde wegen seiner Dominanz einst der Telefonanbieter AT&T zerschlagen. Das hat den Kunden genützt. Die Preise sind gesunken, weil es plötzlich Wettbewerb gab. Aber passt der Vergleich wirklich? Die Telefongesellschaft war konkurrenzlos, weil ihr das Netz gehörte – nicht weil sie ihre Kunden überzeugt hatte. Dagegen ist niemand, der im Internet surfen will, auf Google & Co. angewiesen. Es ist nur so, dass die große Mehrheit der Internetnutzer zurzeit lieber mit Google als mit Alternativen auf die Suche geht, öfter auf Facebook und auf Amazon unterwegs ist als auf anderen Online-Plattformen und eher für Apple-Geräte viel Geld bezahlt als für andere.

          Bald jeder Preis möglich

          Das hat die vier Tech-Konzerne, die vor zehn Jahre noch Start-ups oder Nischenanbieter waren, zu den wertvollsten Börsenunternehmen der Welt gemacht und ihnen famose Gewinne in die Kasse gespült – ein guter Grund, um sie zu bewundern, zu beneiden oder ihre Ideen abzukupfern. Aber es ist kein Grund, sie mit Staatsmacht zu zerschlagen.

          Apple -- --
          Amazon.com -- --
          Snap -- --
          Alphabet -- --

          Die Preise für die Milliarden von Nutzern würden dadurch nicht sinken, das ist einfach vorherzusagen. Sie liegen im Fall des Kerngeschäfts von Google, Facebook und Amazon ja schon bei null: Für das Suchen, Liken und Einkaufen zahlt keiner Gebühren.

          Bezahlt werde mit Daten, halten die „Gafa“-Geisterjäger dagegen. Und die wirklichen Kunden seien nicht die privaten Nutzer, sondern die Firmen, die auf Facebook und Google Werbung schalten, auf Amazon und über den Musikdienst von Apple Produkte vertreiben. Von ihnen könnten die großen vier bald jeden Preis verlangen, wenn ihnen niemand Einhalt gebiete. Und dann sei es aus mit der schönen billigen Internetwelt.

          Vom Zwerg zum Riesen

          Das Argument ist ernst zu nehmen. Dass zunehmende Größe für Netzwerke besonders wichtig ist, lässt sich zudem mathematisch zeigen: Je mehr Verbindungen zwischen den einzelnen Teilnehmern möglich sind, desto mehr haben diese vom Dabeisein. Dazu kommt: Ist die Software programmiert, verursacht ein zusätzlicher Nutzer den Online-Plattformen kaum höhere Kosten. Das macht das Wachstum für sie so lukrativ.

          Theoretisch könnte das immer so weitergehen. In der Praxis sieht es anders aus. In den vergangenen Wochen ist geschehen, was in der „Gafa-Ökonomie“ gar nicht geschehen darf. Google berichtet von steigenden Kosten und sinkenden Margen, Facebook von einem Rückgang der Online-Zeit seiner Nutzer. Zwei Wettbewerber, der Kurznachrichtendienst Twitter und der Foto-Versender Snapchat, verzeichnen dagegen mehr Nutzer und Einnahmen. Wie das? In beiden Fällen ist die Antwort verblüffend einfach: Twitter hat die 140-Zeichen-Grenze für seine Nachrichten aufgegeben. Bei Snapchat gibt es ein Werbeumfeld, aus dem nicht Algorithmen, sondern echte Menschen Anstößiges und Irrelevantes herausfiltern. Und beide haben die Preise für ihre Werbekunden kräftig gesenkt.

          So leicht ist es also, den Marktführern eins auszuwischen, ganz ohne brachialen Eingriff von oben. Es stimmt schon, dass Twitter und Snapchat Zwerge sind im Vergleich zu den großen vier. Aber genau solche Zwerge waren Google, Amazon, Facebook und Apple vor zehn Jahren auch noch.

          Sebastian Balzter
          Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

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