Start-up für Scanner-Handschuh : Die Saat für ein nächstes Teamviewer?
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Ein Proglove-Scanner Bild: obs
Proglove fertigt Barcode-Scanner an. Die Geräte halten den Nutzern die Hände frei – im Gegensatz zu den herkömmlichen Scannern. Nach F.A.Z.-Informationen erwirbt ein Private-Equity-Haus das Unternehmen. Chef ist der frühere Vorstandsvorsitzende Teamviewers.
In der deutschen Industrie soll eine Unternehmensgeschichte nach Art von Teamviewer geschrieben werden: vom Start-up unter Ägide von Private Equity zum Großunternehmen, das mit einem neuen Technik-Produkt einen Branchenstandard setzen will. Nach Informationen der F.A.Z. erwirbt der Finanzinvestor Nordic Capital den Mini-Scanner-Hersteller Proglove, der Vertrag ist frisch unterschrieben. Nordic-Capital-Partner Rainer Lenhard bestätigte das auf Anfrage. Den Unternehmenswert wollte er nicht kommentieren – Marktkenner beziffern ihn auf rund eine halbe Milliarde Euro.
Vorstandsvorsitzender ist ein alter Bekannter der Industrie: der einstige Teamviewer-Chef Andreas König. Er plant einen Aufstieg, wie ihn auch jenes Göppinger Unternehmen hinlegte, das heute im M-Dax notiert und mit seiner Fernwartung für Computer weithin bekannt ist. Gefragt, ob mit Proglove eine Entwicklung wie mit Teamviewer zu erwarten sei, antwortete König im F.A.Z.-Gespräch: „Das ist der Plan, ja. Die Firma hat wirklich das Potential, richtig groß zu werden.“ Zweiter Vorstand ist Thomas Nowak, der früher als Finanzchef für Teamviewer arbeitete – beide kennen einander bestens aus jener Zeit.
Hände frei beim Scannen im Lager
Proglove – gegründet als Workaround GmbH – fertigt Barcode-Scanner, getragen an Manschetten oder Handschuhen von Mitarbeitern in Logistik und Produktion. Sie sind so groß wie eine Streichholzschachtel und wiegen so viel wie zwei Zwei-Euro-Münzen. Die Geräte halten den Leuten die Hände frei – im Gegensatz zu herkömmlichen Scanner-Pistolen – und sollen das Scannen von Barcodes erleichtern und beschleunigen. Das spielt etwa in der Automobilproduktion eine Rolle, in der Beschäftigte jedes einzelne verbaute Einzelteil dokumentieren. Wichtiger Kunde – und einer aus der Anfangszeit – ist BMW. Mitarbeiter aktivieren den Scanner über eine Daumenbewegung. Nach Königs Worten sparen sie im Vergleich zur Scanner-Pistole bei jedem Scan etwa vier Sekunden – was sich bei etwa eintausend Scans je Auto in der Produktion ansehnlich summiert.
Außerdem sei das Gerät ergonomisch günstiger und damit gesundheitsschonend, so das Argument. Weitere Abnehmer aus der Autoindustrie sind laut Unternehmens-Website unter anderem der Volkswagen-Konzern mit mehreren Markentochtergesellschaften, zudem kommen sie aus der klassischen Industrie, etwa Thyssenkrupp, dem Handel wie Mediamarkt oder aus dem Transportwesen wie DHL und Schenker. Sie nutzen die im Branchenjargon „Wearables“ genannten Produkte in ihren Lagern. An den Händen von Paketlieferanten sind die Geräte bisher dagegen noch nicht zu sehen. Konkurrenten von Proglove sind die beiden amerikanischen Unternehmen Honeywell und Zebra. Proglove hält nach Angaben des Managements mehr als 50 Patente; die ersten Handschuhe wurden 2016 verkauft. Momentan steht ein zweistelliger Millionenbetrag als Jahresumsatz in den Büchern, aber das Wachstum soll bei 30 Prozent jährlich liegen.
Mal klappt’s, manchmal nicht
Natürlich kann sich die Aufstiegsphantasie im Nachhinein als Traum erweisen. Der Finanzinvestor KKR mit seinem Partner Philipp Freise plante vor Jahren „die zweite SAP“, als er den Frankfurter IT-Spezialisten Arago übernahm. Daraus wurde nichts. Dagegen ist die 2005 gegründete Teamviewer ein Beispiel für ein Unternehmen, das wenig Beachtung erhielt, als ein Finanzinvestor – in jenem Fall Permira – es 2014 übernahm, übrigens für einen ähnlichen Betrag wie im aktuellen Deal, nämlich für rund 800 Millionen Euro. König leitete Teamviewer von 2015 bis Ende 2017, Nowak stieß 2016 dazu. Ende 2018 kam König zu Proglove, um den Mitgründer Thomas Kirchner als Vorstandschef zu ersetzen.
Wichtigster Anteilseigner ist der US-Finanzinvestor Summit Partners, weitere sind Bayern Kapital und Deutsche Invest Capital Partners (DIVC). Ursprünglich war auch einmal der amerikanische Chiphersteller Intel beteiligt. Die Verkäuferseite hat dem Vernehmen nach für die Transaktion die Investmentbank Goldman Sachs mandatiert, Nordic Capital soll ohne Berater agiert haben. Der Investor engagiert sich nun in Deutschland erstmals in der klassischen Industrie. Im April hatte er hierzulande sein Debüt in einem anderen Sektor gegeben, nämlich in den Finanzdienstleistern. Er erwarb drei der größten zehn deutschen Kreditvermittler und fusioniert sie zu einem Anbieter.