Deutschlands Zukunft : Der Digitalrat gibt Rätsel auf
- -Aktualisiert am
Glasfaserkabel in bunten Farben: Schnelles Internet ist nur ein Thema für den Digitalrat. Bild: dpa
In den ersten Tagen nach der Berufung des Expertengremiums der Bundesregierung war die IT-Branche baff. Jetzt hinterfragen Fachleute zunehmend, was das soll.
Irgendetwas stimmt hier nicht. Die Bundeskanzlerin gibt seit Jahren vor, begriffen zu haben, dass die Digitalisierung des Landes, seiner Infrastruktur, seiner Bildungseinrichtungen und seiner Wirtschaft das beherrschende Thema für die Zukunft des Landes ist. Nur bewegt sich vieles viel zu langsam. Nun soll ein zehnköpfiges Expertengremium, der sogenannte Digitalrat, für neuen Schwung sorgen. Das aber ist nur auf den ersten Blick eine gute Idee. Auf den zweiten zeigt sich, dass es diesen Rat nicht braucht, sondern Tat.
Denn in Fragen der Digitalisierung hat Deutschland vor allem ein Umsetzungsproblem. Ob Breitband-Infrastruktur, der Digitalpakt für Schulen, der Aufbau eines einheitlichen Bürgerportals für Behördendienste oder eine Strategie für die Künstliche Intelligenz (KI): Die Vorhaben müssen schnell und entschieden in die Praxis umgesetzt werden.
Ob daran der vor wenigen Tagen neu vorgestellte Digitalrat der Bundesregierung etwas ändern kann? Das wird auch in der Softwarebranche, die das Vorhaben zunächst mit wohlwollendem Interesse verfolgt hat, nach einigen Tagen der Reflexion zunehmend bezweifelt.
„Was zu tun ist, liegt eigentlich auf der Hand“
Der Komiker Dieter Hallervorden zum Beispiel habe die Methode, im Zweifel noch einmal Berater hinzuzuziehen statt zu entscheiden, in seinem Ausspruch „ich brauche mehr Details“ gebündelt, schreibt der Softwareunternehmer Heinz-Paul Bonn, der auch in höherem Alter in der Branche eine Art Kultstatus genießt, in seinem jüngsten Blogbeitrag. Denn es sei ja nun nicht so, dass die Bundesregierung in den vergangenen Jahrzehnten nicht kontinuierlich erbetene oder ungefragte Hinweise auf das Handlungsdefizit in Sachen Digitalisierung erhalten habe. „Was zu tun ist, liegt eigentlich auf der Hand. Woran es bislang fehlte, war nicht die höhere Einsicht, sondern die Bereitschaft, anzupacken“, sagt der sympathische IT-Großvater und Gründer des Softwareanbieters GUS Group, der mehr Dynamik hat als viele seiner Mitstreiter mit vielen Jahrzehnten weniger Lebens- und Berufserfahrung.
„An dieser digitalen Bräsigkeit kann und wird auch ein hochkarätiger Digitalrat nichts ändern“, ist Bonn überzeugt: „Wenn er – wie die Kanzlerin in ihrer Videobotschaft erläuterte – sich um die Themen Breitbandversorgung, Bildung, eGovernment und Künstliche Intelligenz kümmern soll, werden Aufgabenstellungen formuliert, die, mit Ausnahme von KI, zu den Evergreens praktisch aller Digitalen Gipfeltreffen der Vergangenheit gehören.“ Hierzu sei schon so viel an Kenntnis und Erkenntnis beratschlagt worden, dass es schwer falle, vom Digitalrat noch bahnbrechend Neues zu erwarten.
An dieser Stelle lohnt der Blick darauf, wer überhaupt in diesem Rat sitzt: Geleitet wird er von Katrin Suder, promovierte Physikerin, Ex-McKinsey-Managerin und beamtete Staatssekretärin im Verteidigungsministerium. Hinzu kommen Urs Gasser, Jurist, aus dem schweizerischen Solothurn, der an der Harvard Law School lehrt, Beth Simone Noveck aus New Jersey war unter dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama Direktorin der Open-Government-Initiative im Weißen Haus. Chris Boos aus Konstanz ist Gründer und Chef von Arago, einer Plattform zur Erforschung und Kommerzialisierung von KI, die Österreicherin Ada Pellert ist Vorstandsvorsitzende der Kooperationsplattform „Digitale Hochschule NRW“, der ebenfalls aus Österreich stammende Peter Parycek ist Fachmann für Electronic Governance und hat die Wiener Regierung beraten. Andreas Weigend wiederum war unter anderem Chefwissenschaftler von Amazon und hat darüber im vergangenen Jahr ein dickes Buch geschrieben. Stephanie Kaiser aus Rostock betreut Start-ups aus der Gesundheitsbranche. Ijad Madisch ost Chef von Research Gate, einer Art Facebook für Wissenschaftler.