
Elektronikmesse CES : Neue Bodenständigkeit in Las Vegas
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Selbstfahrender Muldenkipper von Caterpillar in Las Vegas Bild: Reuters
Auf dem Branchentreffen lieferte die Technikindustrie mehr Nutzwert und Marktnähe, dafür weniger Spielerei und Science-Fiction. Der Pragmatismus steht der Branche und der Messe gut zu Gesicht.
Die Elektronikmesse CES war in guter wie in schlechter Hinsicht ein krasser Gegensatz zum vergangenen Jahr. Zur Freude der Veranstalter lieferte die gerade zu Ende gegangene Messe in Las Vegas diesmal wieder ein Megaspektakel. Bot sie im vergangenen Jahr wegen einer pandemiebedingten Absagewelle ein gespenstisches Bild mit vielen leeren Flächen, meldete sie sich nun mit hektischer Betriebsamkeit zurück, wenn auch noch nicht ganz wie in früheren Glanzzeiten. Aber, und das ist die Kehrseite, sie fand diesmal inmitten eines dramatisch verdüsterten wirtschaftlichen Umfelds statt.
Die Technologiebranche, die den Kern der Messe bildet, strotzte vor einem Jahr vor Kraft, Aktienkurse von Konzernen wie Apple und Amazon notierten in der Nähe ihrer Höchststände. Diesmal wurde die Messe von einer Vielzahl Horrornachrichten begleitet.
Amazon und Salesforce wollen jeweils Tausende von Mitarbeitern entlassen, Samsungs Gewinn ist abgestürzt. Sorgen macht auch die Autoindustrie, die auf der CES mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. 2022 hat sie in den USA so wenig Fahrzeuge verkauft wie seit Jahren nicht, auch Tesla lieferte enttäuschende Zahlen und hat damit seinen jüngsten Abwärtstrend an der Börse beschleunigt.
Zu schnell expandiert
Es ist ein böses Erwachen, gerade für die Technologieindustrie, die auf fette Jahre zurückblickt und sich von der Pandemie noch zusätzlich gestärkt fühlte. Viele Unternehmen sahen darin einen Digitalisierungsturbo, der sie um Jahre in die Zukunft katapultiert. Aber das erwies sich als Trugschluss, denn mit dem Abflauen der Pandemie kehrte die alte Normalität zurück.
Gewiss schreitet die Digitalisierung weiter voran, aber sie ist wieder in etwa auf der Kurve, die es auch ohne das Virus gegeben hätte. Zu dieser ernüchternden Erkenntnis kommt, dass die ultraniedrigen Zinsen, die über Jahre hinweg viel Geld von Investoren in die Branche gelenkt hatten und damit das Wachstum befeuerten, vorerst der Vergangenheit angehören.
Nun müssen viele Unternehmen feststellen, dass sie sich verschätzt und zu schnell expandiert haben, und sie sehen sich zu harten Einschnitten gezwungen. Für manche von ihnen wie den Facebook-Mutterkonzern Meta, der seit seiner Gründung immer nur auf Wachstumskurs war, kommt das einer ganz neuen Zeitrechnung gleich.
Mehr Sinn für die Realität
All dies ließ die Atmosphäre und die Schwerpunkte der Innovationsschau in der amerikanischen Wüstenstadt nicht unberührt. Viele Unternehmen machten den Eindruck, mit ihren Produktneuheiten und Versprechungen mehr Realitätssinn demonstrieren zu wollen als sonst. Also weniger Spielereien und Science-Fiction, dafür mehr Nutzwert und Marktnähe.
Das zeigte sich am Beispiel autonomer Fahrtechnologie: Wurde in den vergangenen Jahren oft der Eindruck erweckt, Roboterautos würden bald allgegenwärtig auf den Straßen der Welt, standen diesmal eher Assistenzsysteme im Vordergrund, die Fahrern im Verkehr helfen, ohne sie überflüssig zu machen. Autohersteller sprachen zudem viel mehr über Elektromobilität und Digitalisierung des Fahrerlebnisses. Das galt auch, als BMW ein viel beachtetes futuristisches Auto zeigte, das sprechen und seine Außenfarbe wechseln kann.
Allgemein wurde auf der Messe Bodenständigkeit zelebriert. Der Landmaschinenhersteller John Deere bestritt erstmals eine der großen Keynote-Veranstaltungen und zeigte einen Elektrobagger. Der Baumaschinenkonzern Caterpillar karrte einen riesigen autonomen Muldenkipper in die Messehalle und sagte, diese Gefährte könnten sich schon seit Jahren selbst steuern.
Und wie um einen Kontrapunkt zu den derzeitigen Entlassungsrunden im Silicon Valley zu setzen, richtete er eine „Rekrutierungslounge“ auf seinem Stand ein, um dort mit etwaigen interessierten Messebesuchern vor Ort Bewerbungsgespräche für „High-Tech-Jobs“ zu führen.
Die CES hat das Jahr diesmal mit einer zusätzlichen Prise Pragmatismus eingeläutet und damit den schwierigeren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung getragen. Trendthemen wie das Metaversum oder die Blockchain blieben keineswegs außen vor, aber sie umgab weniger überdrehte Euphorie, und oft wurden sie in den Kontext einer größeren Mission gesetzt, zum Beispiel wie sie im Gesundheitswesen helfen können. Innovationsgeist war in Las Vegas trotz der in vielen Branchen gedämpften Stimmung reichlich zu spüren. Und es steht der Messe gut zu Gesicht, dass sie sich immer breiter aufstellt. Auch wenn das „C“ für „Consumer“ in ihrem Namen mehr denn je überholt scheint.