Es gibt Momente, da klingt der Vorstandsvorsitzende von BMW wie ein aufdringlicher Verkäufer im Autohaus: Gerade, während der Hauptversammlung des Dax-Konzerns, hatte Oliver Zipse wieder so einen Moment. Da beschrieb er den virtuell zugeschalteten Aktionären die Vorzüge des neuen 7er-BMW in allen Einzelheiten. Die Luxuslimousine lade ein „zum Fahren oder auch Gefahrenwerden“, schließlich sollten sich auch die anspruchsvollsten Kunden wie zu Hause fühlen, „wie in einer privaten Lounge“.
Es hörte sich an, als würde die jüngste technische Errungenschaft der Münchner endlich den Traum vom autonomen Fahren wahr werden lassen. Aber Zipse schwärmte vom Entertainment für die Insassen auf der Rücksitzbank: „Ich mag den grandiosen ,BMW Theater Bildschirm‘ im Fond, 31 Zoll. Er verwandelt Ihren 7er in einen Kinosaal.“ Für den BMW-Chef ist die Sache klar, der 7er verkörpere „Tech Magic“ und damit genau das, was die Kunden heute erwarten. „Technologisch kann derzeit kein Fahrzeug mehr bieten.“
Sonderausstattung kostet
Zweifel sind angebracht. Denn gerade wenn es um das am heißesten umkämpfte Thema, nämlich das automatisierte Fahren, geht, rührt die Konkurrenz noch stärker die Werbetrommel. Allen voran Elon Musk, Chef des amerikanischen Elektropioniers Tesla, wird nicht müde, auf die in naher Zukunft selbstfahrenden Autos abzustellen. Und Ola Källenius vom Erzrivalen Mercedes-Benz holte das Thema nun in die Gegenwart. Källenius ist Zipse technologisch voraus: Anders als beim 7er-BMW können Käufer der Mercedes-S-Klasse schon jetzt automatisiertes Fahren als Sonderausstattung ordern. Damit ist Mercedes nach eigenen Angaben der „weltweit erste Automobilhersteller mit einer international gültigen Zertifizierung für hoch automatisiertes Fahren“.
Die Sonderausstattung „Drive Pilot“ kostet 5000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer für die S-Klasse-Limousine und 7430 Euro für die elektrische S-Klasse EQS, weil in dieser das Fahrassistenzsystem nicht serienmäßig ist. Tesla verlangt für automatisiertes Fahren 7500 Euro, in den Vereinigten Staaten hat der Konzern den Preis kürzlich auf 12.000 Dollar oder 11 400 Euro erhöht. Und BMW? Die Bayern hatten ursprünglich geplant, den vor einem Jahr erschienenen BMW iX mit einer solchen Sonderausstattung anzubieten, ruderten jedoch kurz vor der Markteinführung zurück.
Das automatisierte oder autonome Fahren wird in fünf Stufen eingeteilt – ausgehend von Level 0, in dem nur der Fahrer lenkt und ohne jede Computerunterstützung fährt, bis hin zu Level 5, bei welchem sich das Fahrzeug fahrerlos fortbewegt, also wirklich autonom. Viele Autohersteller bieten heute schon Level-2-Assistenzsysteme an, bei denen der Fahrer seine Hände für ein paar Sekunden vom Steuer nehmen kann. Manche Assistenten werden als Level-2-plus bezeichnet, weil sie weitere Funktionen beinhalten. Das Level-3-System, das Mercedes nun anbietet, erlaubt es Fahrern, sich auch über einen längeren Zeitraum mit anderen Dingen zu beschäftigen. Allerdings müssen sie jederzeit bereit sein, das Steuer zu übernehmen. Erst ab Level 4 führt das Auto alle Fahraufgaben selbsttätig durch, kann es auch längere Strecken ohne Eingriffe des Fahrers zurücklegen.
Wer Haftung im Schadensfall?
Der „Drive Pilot“ von Mercedes ist bis zu einer Geschwindigkeit von 60 Kilometern in der Stunde auf Autobahnen zugelassen. Er kann also vor allem bei Stau oder stockendem Verkehr das Fahren übernehmen. Höhere Geschwindigkeiten und autonome Spurwechsel sind gesetzlich nicht erlaubt.
Mercedes hatte die Zulassung Ende vergangenen Jahres vom Kraftfahrt-Bundesamt erhalten. Bis Ende des Jahres wollen die Stuttgarter die Zulassung laut Vertriebsvorstand Britta Seeger auch in den Vereinigten Staaten erhalten. Die Bundesstaaten Nevada und Kalifornien dürften den Anfang machen. Geklärt ist auch schon die Frage, wer dafür haftet, wenn der Computer vom rechten Weg abkommt: Mit der Aktivierung des Level-3-Drive-Pilot gibt der Fahrer die Verantwortung für sein Fahrzeug an den Hersteller ab. Auch die Haftung im Schadensfall geht auf den Hersteller über.