So sieht es aus, wenn man schnellen Mobilfunk in die U-Bahn bringt: Schnittstelle zwischen Hochfrequenz- und Glasfaserkabeln im Berliner Untergrund. Bild: dpa
Schnelles Internet ist zu wichtig, um in den Mühlen der Politik unterzugehen – das ist der Tenor eines Appells der Industrie, der der F.A.Z. exklusiv vorliegt. Um den Ausbau zu beschleunigen, stellt sie eine ungewöhnliche Forderung.
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Die deutsche Wirtschaft ist in großer Sorge, dass der Ausbau des schnellen Internets und der Aufbau des neuen Mobilfunkstandards 5G in den Mühlen der Politik zerrieben werden. In einem Appell an die Bundesregierung fordert der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, die vielen beteiligten Ministerien deshalb zu einer besseren Zusammenarbeit auf.
Es müsse „eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Ministerien und dem Bundeskanzleramt erfolgen“, heißt es in einem der F.A.Z. vorliegenden Positionspapier, das an diesem Mittwoch auf einer Konferenz der Verbände BDI und DIHK veröffentlicht werden soll. An der Veranstaltung nehmen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und der Vizepräsident der Bundesnetzagentur, Wilhelm Eschweiler, teil.
Gigabit-Netze seien das Rückgrat der digitalen Transformation und für eine starke Wirtschaft unverzichtbar, betont die Industrie. Konkret fordert sie von der Politik ein Voucher-System – Gutscheine für Unternehmen, damit die Telekommunikationskonzerne diese an das schnelle Gigabit-Internet anschließen.
Erst 3,4 Millionen Haushalte angeschlossen
Gigabit bedeutet Surfgeschwindigkeiten von bis zu 1000 Megabit je Sekunde. Die große Koalition hat im Koalitionsvertrag versprochen, alle Gewerbegebiete bis zum Ende der Legislaturperiode an das Glasfasernetz anzuschließen. Dem BDI schwebt ein Gutscheinsystem nach britischem Vorbild vor. Das dortige „Gigabit Broadband Voucher“ erstattet Unternehmen einen Teil der Kosten, die entstehen, wenn sie von den Telekomanbietern an das Gigabit-Netz angeschlossen werden wollen.
Die Zahl der schnellen Internetanschlüsse sei dadurch deutlich gestiegen, heißt es. Auch der Branchenverband der Telekommunikationsunternehmen VATM sprach sich am Dienstag für ein Gutscheinsystem aus. Außerhalb von Ballungsgebieten und schon mit Gigabit versorgten Regionen soll es für jeden Glasfaser-Hausanschluss einen staatlichen Zuschuss von einmalig 500 Euro geben. Das würde den privatwirtschaftlichen Ausbau deutlich beschleunigen und den Förderbedarf für die Netze senken.
In der Bevölkerung ist fehlendes schnelles Internet allerdings bislang kein drängendes Problem – die Nachfrage nach den teureren Anschlüssen ist gering. Nicht einmal jeder dritte Kunde ist dazu bereit, einen schon verfügbaren Glasfaseranschluss auch zu buchen, geht aus einer Studie des VATM und des Beratungsunternehmens Dialog Consult hervor. Immerhin werde die Zahl der Haushalte, die einen Glasfaseranschluss nutzen, in diesem Jahr zum ersten Mal die Millionenmarke leicht übersteigen, ein Zuwachs um fast 25 Prozent.
Technisch verfügbar seien die Anschlüsse aber schon für 3,4 Millionen Haushalte, rund 520.000 mehr als vor einem Jahr. Im Vergleich der Industrieländer ist Deutschland damit ein weit abgeschlagener Nachzügler. In Japan und Südkorea sind rund drei Viertel der Haushalte mit einer Glasfaserleitung versorgt, zeigt eine Auswertung der OECD. Vor allem die Deutsche Telekom tut sich hierzulande offenbar schwer, Glasfaseranschlüsse zu vermarkten – und ist auch deshalb beim Ausbau bis in die Häuser noch zögerlich.
Finanzierung von 5G-Ausbau unklar
Die Frage nach der Finanzierung steht auch bei einem anderen, eng verwandten Thema im Fokus: 5G. Dieser neue Mobilfunkstandard ist weit mehr als eine einfache technische Neuerung, sondern für die Wirtschaft von enormer Bedeutung. „5G ist eine disruptive Technologie, die eine enorme Leistungssteigerung in der drahtlosen Kommunikation mit sich bringt und gravierende Auswirkungen auf alle möglichen Branchen haben wird“, sagte Reimund Neugebauer, der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, der F.A.Z. Der neue Standard sei die Voraussetzung für autonom fahrende Autos, in Echtzeit miteinander kommunizierende Maschinen in den Fabriken und die zunehmende Vernetzung von Menschen und Maschinen.
Wer genau in welchem Umfang den viele Milliarden teuren 5G-Ausbau finanziert, ist noch offen. Mit Spannung blickt die Wirtschaft deshalb auf den 26. November, dann will die Bundesnetzagentur die Regeln für die Vergabe der 5G-Mobilfunklizenzen beschließen. Den Erlös aus dieser Auktion will die Bundesregierung in den Ausbau des Glasfasernetzes stecken, damit auch das Festnetz-Internet schneller wird.
Der BDI, in dem auch die Telekomanbieter organisiert sind, fordert: „Die Frequenzvergabe darf nicht primär auf eine Maximierung der Auktionserlöse ausgerichtet sein.“ Die Unternehmen brauchten auch noch Geld für den Ausbau der Netze. Der Telemediziner in der Uckermark sei genauso auf die neue Technik angewiesen wie der Fahrer eines autonomen Autos auf der A 9.