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Onlinezugangsgesetz : Ein digitales Konto für alle Bürger

Mit dem Onlinezugangsgesetz soll die Verwaltung endlich digitaler werden. Bild: dpa

Die Verwaltung ist nicht digital genug. Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung jetzt einheitliche Lösungen verordnen.

          3 Min.

          Die Bundesregierung plant für die Digitalisierung der deutschen Verwaltung eine grundlegende Strategieänderung. Künftig will sie die Behörden von Bund, Ländern und Kommunen dazu zwingen, für ihre digitalen Angebote die Bund-ID zu nutzen. Mit diesem digitalen Konto sollen sich alle Bürger online identifizieren können, um Anträge etwa zur Verlängerung des Personalausweises oder zur Anmeldung eines Kfz zu stellen. Auch finanzielle Hilfen des Staates sollen über dieses Konto laufen. Das ist Kern des neuen Onlinezugangsgesetzes (OZG), das das Kabinett am Mittwoch beschließen möchte.

          Corinna Budras
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.

          Mit der Bund-ID mussten sich zuletzt vor allem rund 3,5 Millionen Studenten auseinandersetzen, als sie im Frühjahr die lang erwarteten Einmalzahlungen in Höhe von 200 Euro zu ihren gestiegenen Heizkosten beantragen konnten. Für diese Bevölkerungsgruppe war die Auszahlung dieser Hilfsleistungen besonders schwierig, weil sie nirgendwo zentral registriert ist. Deshalb haben sich Bund und Länder entschieden, dies zum ersten flächendeckenden Anwendungsfall für die Bund-ID zu machen.

          Wer ein solches Konto einrichten will, kann dies auf der entsprechenden Internetseite id.bund.de tun. Dafür braucht man seinen Personalausweis oder einen Aufenthaltstitel. Diese Dokumente sind inzwischen flächendeckend mit einer Onlinefunktion ausgestattet. Außerdem ist eine persönliche PIN notwendig, die üblicherweise nach der Ausstellung des Ausweisdokuments zugesendet wird. Ist die PIN verloren gegangen, kann sie jederzeit online neu beantragt werden. Der Ausweis lässt sich mithilfe der „Ausweis-App2“ über das Smartphone einlesen.

          Raus aus der Nische

          Das Bund-ID-Konto gibt es schon seit 2019, bislang aber fristete es ein Schattendasein. Dabei preist es der zuständige Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Richter, als „sicherstes Verfahren der Welt“. Inzwischen gibt es schon rund 60 digitale Angebote, die mit dem Verfahren arbeiten: Wer eine Bund-ID hat, kann zum Beispiel Bafög oder Arbeitslosengeld beantragen oder ein Führungszeugnis anfordern.

          Aber erst die staatliche Unterstützung für die Studierenden brachte den Durchbruch für das Bund-ID-Konto, auch die Zahl der Nutzer ist seitdem exponentiell gestiegen: Inzwischen haben schon 2,8 Millionen Bürger ein solches Konto eingerichtet. Im Vergleich zu anderen Staaten mit ausgefeilten digitalen Lösungen fällt diese Zahl noch immer bescheiden aus, allerdings sei dies im Vergleich zum vergangenen Jahr eine deutliche Steigerung, sagt Richter, der zugleich Deutschlands „Chief Information Officer“ ist. Er lobte die Schnelligkeit des Verfahrens: Sobald die Konten eingerichtet sind, kann das Geld in vielen Fällen innerhalb von nur 24 Stunden ausgezahlt werden, erläuterte Richter. „Das ist absolut rekordverdächtig.“ Denkbar sei nun, das Verfahren auch für andere Zahlungen etwa im Zusammenhang mit dem geplanten Klimageld zu nutzen.

          An mehr als einer Million Studenten scheint das Angebot jedoch bisher vorbeigegangen zu sein: Von den 2,4 Millionen Anträgen sind ausweislich des OZG-Dashboards 2,4 Millionen bewilligt und ebenso viele ausgezahlt worden. Dies summiert sich auf 482 Millionen Euro. Demnach haben jedoch rund 1,1 Millionen Berechtigte noch immer keinen Antrag gestellt.

          Herbe Niederlage im vergangenen Jahr

          Mit der Neuauflage des OZG will die Bundesregierung ihre Niederlage im ersten Anlauf überwinden, die ihr viel Häme gebracht hat. Im Dezember mussten Bund, Länder und Kommunen einräumen, dass sie das vor fünf Jahren gesetzte Ziel, bis Ende 2022 knapp 600 Leistungen der öffentlichen Verwaltung online anzubieten, nicht verwirklichen konnten. Ende des Jahres stand nur ein Bruchteil der ausgewählten Leistungen zur Verfügung.

          Grund dafür war, dass die Länder bei der Digitalisierung lange Zeit getrennte Wege beschritten. Das Ergebnis war ein Sammelsurium an unterschiedlichen Lösungen für die gleichen Probleme. Erst das OZG versuchte die Bemühungen zu bündeln. Geschehen ist dies mithilfe des Prinzips „Einer für alle“. Danach teilen die Bundesländer die Digitalisierungsaufgaben untereinander auf und stellen dann die entwickelten Lösungen einander zur Verfügung. So entwickelte Sachsen-Anhalt die digitale Lösung für die Einmalzahlung der Studierenden. Die Bund-ID wurde von Bayern entwickelt.

          Mit dem OZG 2.0, auf das sich das Kabinett am Mittwoch einigen will, soll nun eine neue Verbindlichkeitsstufe erreicht werden: Erstmals wird gesetzlich festgelegt, dass Bund, Länder und Kommunen in allen Services der Verwaltung das bundeseinheitliche Nutzerkonto einbauen müssen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Angebote flächendeckend und einheitlich zur Verfügung stehen. Zu den bisher rund 60 Dienstleistungen, für die dies schon der Fall ist, sollen im nächsten Jahr weitere sechzehn zen­trale Verwaltungsdienstleistungen online angeboten werden. Dazu gehöre der Bauantrag, die Ausstellung des Personalausweises, die Zulassung eines Pkw und die Ummeldung nach einem Umzug.

          Nach dem Beschluss des Kabinetts wird sich das Parlament mit dem Vorhaben befassen. Im Bundesinnenministerium hofft man, dass das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abgeschlossen und die neuen Regelungen am 1. Januar in Kraft treten können. Allerdings müssen dabei auch die Länder mitmachen. Bisher haben erst 11 Bundesländer explizit erklärt, dass sie die Bund-ID übernehmen wollen.

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