Ohrfeige für Staatsanwaltschaft im Winterkorn-Prozess
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Der damalige Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, Martin Winterkorn, bei einer Pressekonferenz am 12.03.2015. Im Winterkorn-Prozess um die Diesel-Affäre sind zeitliche Verzögerungen zu erwarten. Bild: dpa
Das Verfahren im Diesel-Skandal gegen den ehemaligen VW-Vorstandsvorsitzenden Winterkorn könnte sich in die Länge ziehen: Das Landgericht Braunschweig kritisiert die Anklage der Staatsanwaltschaft und verlangt umfangreiche Beweise.
Es war ein Beschluss, der für viel Aufsehen sorgte. Vor gut sechs Monaten, am 15. April dieses Jahres, hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig offiziell Anklage gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen, Martin Winterkorn, und vier weitere Beschuldigte erhoben. Im Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal werfen die Ermittler ihnen unter anderem schweren Betrug und Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb vor. Winterkorn soll sich zudem der Untreue schuldig gemacht haben. Die Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück. Als möglicher Zeitraum für den Prozessbeginn galt zuletzt das erste Quartal des kommenden Jahres. Doch jetzt zeigt sich, dass das zuständige Landgericht Braunschweig etliche offene Fragen sieht. Dadurch könnte sich eines der am meisten beachteten Strafverfahren der vergangenen Jahrzehnte deutlich verzögern. Nach den jahrelangen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war das Verfahren mit Erhebung der Anklage in ein neues Stadium getreten. Nach der Strafprozessordnung hat damit das sogenannte Zwischenverfahren begonnen, in dem das Gericht – vereinfacht gesagt – die inhaltlich abgeänderte Form der Anklageschrift prüft und über eine Zulassung zur Hauptverhandlung entscheidet. Während zuvor die Strafverfolger und Ermittler das Sagen hatten, ist nunmehr die Wirtschaftsstrafkammer die „Herrin des Verfahrens“. In allen Fällen, in denen sie sich auf Grundlage der Anklage kein vernünftiges Bild für eine vorläufige Bewertung machen kann, ist der Weg für den Hauptprozess versperrt. Auch im Fall von Winterkorn und den Mitbeschuldigten müssen die Richter des Landgerichts zu dem Ergebnis kommen, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht. Soweit zur besseren Aufklärung einzelne Beweise helfen, kann das Gericht solche anordnen: Dies geschieht nun im Fall der Betrugsvorwürfe gleich mehrfach – und kann nur als Ohrfeige für die Ankläger gedeutet werden.

Redakteur in der Wirtschaft.

Wirtschaftskorrespondent in Hamburg.
Zwar betont das Gericht auf Anfrage der F.A.Z., dass die Wirtschaftsstrafkammer noch nicht über „die Anordnung etwaiger ergänzender Beweiserhebungen“ entschieden hat. Wie zu hören ist, prüft sie aber, ein neues Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben. Medienberichten zufolge könnten die Richter zudem Akten aus anderen Ermittlungsverfahren in München und Stuttgart sichten wollen.
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