Diesel-Klagen belasten Justiz : Landgericht Stuttgart schlägt Alarm
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Der markante Stern vor dem Werk in Sindelfingen Bild: dpa
Das Landgericht Stuttgart fühlt sich wegen der vielen Diesel-Klagen gegen Daimler überfordert. Der Präsident appelliert an die Politik.
Wegen der starken Zunahme der Diesel-Klagen am Stammsitz der Daimler AG hat das zuständige Landgericht eine Hilferuf an die Politik gerichtet und dringend mehr Personal gefordert. Das Landgericht Stuttgart sei von den Klagen gegen Daimler so betroffen wie bundesweit kein anderes Gericht, sagte Präsident Andreas Singer, der dem zweitgrößten Landgericht in Deutschland vorsteht. Allein im ersten Halbjahr 2019 seien 1.100 Fälle eingegangen, in denen Kläger entweder eine illegale Abschalteinrichtung oder Fehler in den Widerrufsbedingungen von Kreditverträgen gegen Daimler geltend machten. Im vergangenen Jahr waren insgesamt rund 1.900 Diesel-Klagen eingegangen, davon waren alleine über 1.500 Klagen gegen den VW-Konzern gerichtet.
Singer sagte: „Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung, deren Ausmaß wir derzeit noch gar nicht abschließend einschätzen können.“ Aber klar sei, dass für eine auf Jahre angelegte strukturelle Mehrbelastung dringend Verstärkung benötigt werde. Eine konkrete geforderte Zahl von Stellen nannte Singer nicht. Vor seiner Ernennung als Landgerichtspräsident vor über einem Jahr leitete er mehrere Jahre die Abteilung I des baden-württembergischen Justizministerium, die unter anderem für die Personalausstattung bei der Justiz zuständig ist.
Zivilverfahren im Schnitt zehn Monate
Hinter den meisten Daimler-Klagen stecke das Ziel, dass Diesel-Auto angesichts schon bestehender oder drohender Fahrverbote ohne finanzielle Einbußen zurückgeben zu können, sagte Singer. Aktuell dauern Zivilverfahren in Stuttgart etwa siebeneinhalb Monate, im Bundesdurchschnitt zehn Monate. Das baden-württembergische Justizministerium verwies darauf, dass bislang im Land in der laufenden Legislaturperiode mehr als 250 neu Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen worden sind. Davon habe auch Stuttgart profitiert. Das Landgericht bekam 3,5 Richterstellen hinzu. Es seien aber weitere Anstrengungen notwendig. Im Herbst stehen Haushaltsberatungen an.
Singer sagte, Daimler biete den Klägern bislang keinen Vergleich an. Eine Schwierigkeit bei den Verfahren sei außerdem, dass bei Daimler diverse Motoren und verschiedene Modelle betroffen seien. Bei Volkswagen hingegen sei nur ein Motorentyp betroffen gewesen. Ein Sprecher von Daimler betonte, der Konzern nehme Kundenklagen grundsätzlich ernst, setze sich aber zur Wehr, wenn unbegründete Ansprüche geltend gemacht würden. Die große Mehrheit der Fälle sei bisher zu Gunsten von Daimler ausgegangen, so ein Konzernsprecher.
Nach Angaben von Singer wurden die Verfahren in Stuttgart rund um die Darlehens-Widerrufsfälle bislang überwiegend zugunsten des Autobauers entscheiden. Aber bei den Schadenersatzverfahren stehe man erst ganz am Anfang. Neben den Klagen der Autobesitzer sind in Stuttgart gleichfalls Verfahren vor allem von Speditionen im Zuge des Lastwagen-Kartells anhängig, in dem gleichfalls unter anderem Daimler mit von der Partie war. Während früher pro Jahr nur ein bis zwei solcher Schadenersatzklagen in Sachen Kartell eingegangen waren seien es aktuell 250 Verfahren.