Der Staat als Unternehmer : Flirt mit der Staatswirtschaft birgt Gefahren
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Das Einheits-Jubiläum fällt also in eine Zeit, in der die Marktwirtschaft wieder verteidigt werden muss. Zuletzt sei deren Ansehen gar nicht so schlecht gewesen, sagte die Allensbacher Meinungsforscherin Renate Köcher im Frühjahr in einem Interview. Aufgrund der guten Wirtschaftsentwicklung in den vergangenen Jahren hätten wirtschaftliche Ziele wie Wachstum, Wirtschaftsförderung, Wettbewerbsfähigkeit oder Schuldenabbau für die Bürger auch bloß noch untergeordnete Bedeutung gehabt. Nun aber rückten sie wieder nach oben auf die Agenda.
Die Marktwirtschaft muss ihre wohlstandsfördernde Kraft abermals unter erschwerten Umständen unter Beweis stellen. Das kann sie nur, wenn die Voraussetzungen weiterhin akzeptiert werden, auf denen sie beruht. Glücklicherweise hat die Einheit die Deutschen in beiden Teilen des Landes 1990 gezwungen, sich darüber zu verständigen, auf welcher Basis sie wirtschaften wollen. Das Ergebnis hält der Vertrag über die Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik fest: Es ist ein schriftliches Bekenntnis zu einem freiheitliche Marktsystem mit dem klaren Vorrang privaten Unternehmertums. „Grundlage der Wirtschaftsunion ist die Soziale Marktwirtschaft als gemeinsame Wirtschaftsordnung beider Vertragsparteien. Sie wird insbesondere bestimmt durch Privateigentum, Leistungswettbewerb, freie Preisbildung und grundsätzlich volle Freizügigkeit von Arbeit, Kapital, Gütern und Dienstleistungen“, heißt es in Artikel 1. Und: Besondere Eigentumsformen für die Beteiligung der öffentlichen Hand am Wirtschaftsverkehr werden „nicht ausgeschlossen, sofern private Rechtsträger dadurch nicht diskriminiert werden“. Übrigens wurde damals auch festgelegt, dass die Wirtschaftsordnung den „Erfordernissen des Umweltschutzes“ Rechnung tragen müsse.
Einheitsverträge bieten juristischen Schutz
Für den gerade verstorbenen früheren SPD-Bundeswirtschaftsminister Clement hatten erst die Einheitsverträge „die Gewissheit verschafft, dass die Soziale Marktwirtschaft auch von Rechts wegen die Wirtschaftsordnung unseres Landes ist“. Die Beschreibung sei an Klarheit und Konkretheit schwerlich zu überbieten, schrieb er in der F.A.Z. – als im Vorjahr plötzlich in Rede stand, ob das Grundgesetz die Soziale Marktwirtschaft hinreichend schütze, da es doch in Artikel 15 die Enteignung großer Konzerne ermögliche. Diesen juristischen Schutz gibt es, aber die Freiheitsrechte der Verträge müssen die Menschen auch einfordern.
Das Einheits-Jubiläum ist ein guter Anlass, dies zu tun – in West und Ost. Mit seiner Marktwirtschaft ist auch das vereinte Deutschland gut gefahren. „Ich glaube die Ostdeutschen haben sich damals die Freiheit einfacher vorgestellt, nicht so kompliziert, nicht so hart im Wettbewerb“, sagte die frühere Treuhand-Chefin Birgit Breuel 2019. Heute aber geht es den meisten ostdeutschen Bürgern materiell nicht schlecht, auch wenn das verheerende Wirtschaftserbe des Sozialismus mancherorts stärker nachwirkt als nach so langer Zeit für denkbar gehalten (siehe Grafik). Gerade das sollte eine Mahnung sein, neuen planenden, unternehmerischen Ambitionen des Staates besser zu früh als zu spät Einhalt zu gebieten. Deutschland ist noch nicht auf dem Rückweg in die Staatswirtschaft. Aber zu viele flirten schon wieder mit der Idee, über ein bisschen Sozialismus seien Klimaprobleme, Mietersorgen oder Strukturwandel einfacher zu lösen. Noch einmal sollte dieser Irrtum nicht verfangen.