Kooperation mit Bolivien : Deutschland sichert sich Zugriff auf Lithium
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In Bolivien wird das für Batterien wichtige Lithium gewonnen. Bild: dpa
Erstmals bekommt Deutschland direkten Zugriff auf den für die Elektromobilität so wichtigen Rohstoff Lithium. Dafür wird ein Salzsee in Bolivien angezapft. Doch die Folgen für die Umwelt sind noch nicht untersucht.
Damit die geplante Elektroauto-Offensive in Gang kommt, bekommt ein deutsches Unternehmen erstmals direkten Zugriff auf den dafür wichtigen Rohstoff Lithium in Südamerika. Dazu wurde am Mittwoch in Berlin im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine Kooperation zwischen dem baden-württembergischen Unternehmen ACISA und dem bolivianischen Staatskonzern Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB), beschlossen. Zum Konsortium unter Führung von ACISA gehört nach Angaben von Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) auch der Bergbau-Spezialist K-UTEC AG aus Sondershausen.
Die Thüringer Firma bringe ihre Erfahrung bei der Aufbereitung von Salzen aus Salzseen ein. Tiefensee hatte nach Ministeriumsangaben bei einer Südamerika-Reise mit einer Wirtschaftsdelegation im Oktober 2018 dazu Vereinbarungen getroffen. Das deutsche Konsortium habe sich gegen Konkurrenz vor allem aus China durchgesetzt. YLB wird 51 Prozent der Anteile halten. Geplant ist von 2022 an eine Förderung von 30.000 bis 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid im Jahr – damit lassen sich Hunderttausende E-Autos mit Lithium-Batterien versorgen. Die Investition beträgt 300 bis 400 Millionen Euro.
Auch Boliviens Außenminister Diego Pary Rodríguez reiste zur Vertragsunterzeichnung nach Berlin. „Wir haben sehr gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Deutschland gemacht“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Und der Bedarf an Lithium werde massiv wachsen. Zuletzt hatten die Autokonzerne VW und Audi milliardenschwere Elektromobilitätspläne verkündet; für die Hochleistungsbatterien braucht es das „weiße Gold“ Lithium. Im Rennen um den Zuschlag waren auch mehrere chinesische Unternehmen. Das deutsch-bolivianische Projekt ist auf 70 Jahre angelegt.
Schlüsselrohstoff unseres Jahrhunderts
In Bolivien werden im Salzsee (Salar) von Uyuni die weltweit größten Lithium-Vorkommen vermutet. „Lithium ist einer der Schlüsselrohstoffe des 21. Jahrhunderts“, sagte ACISA-Chef Wolfgang Schmutz der dpa. „Durch das Joint Venture sichert sich Deutschland erstmals nach Jahrzehnten wieder den direkten Zugriff auf wichtige, nicht-heimische Rohstoffe“, betonte Schmutz. „Dies ist insbesondere für die deutsche Automobilindustrie von Bedeutung.“ Bundeswirtschaftsminister Altmaier betonte: „Deutschland soll ein führender Standort für die Batteriezellfertigung werden.“ Ein großer Anteil der Produktionskosten entfalle dabei auf Rohstoffe und Material. „Deshalb brauchen wir einen verlässlichen und wettbewerbsfähigen Rohstoffbezug aus einer umweltgerechten Rohstoffgewinnung und Rohstoffweiterverarbeitung“, sagte Altmaier. Besondere Bedeutung für die Batteriezellfertigung komme Lithium zu, die Nachfrage könne sich bis 2025 vervierfachen. „Die deutsche Industrie tut deshalb gut daran, sich ihren Bedarf frühzeitig zu sichern, um nicht in Rückstand und Abhängigkeit zu geraten.“
Der Rohstoff wird in einem komplizierten Verfahren gewonnen und für die Batterien in Elektroautos gebraucht – der Weltmarktpreis hatte sich von 2016 bis 2017 zeitweise von 6500 Dollar auf mehr als 13.000 Dollar verdoppelt. Geplant sind in Uyuni zwei große Lithiumanlagen, Deutschland mit ACISA steht hier in direkter Konkurrenz zu chinesischen Firmen. Lithium wird auch für Handys und zur Speicherung von Energie gebraucht. Wegen neuer Vorkommen gerieten aber viele Lithiumaktien in diesem Jahr unter Druck – viele Experten rechnen mit der zu erwartenden anziehenden Nachfrage schon bald wieder mit einer Trendwende und steigenden Kursen.
Auch auf bolivianischer Seite sind die Erwartungen groß. Präsident Evo Morales hat die Rohstoffgewinnung unter staatliche Kontrolle gestellt und will die Rohstoffe auch im eigenen Land weiterverarbeiten. Die Industrialisierung der Provinz Potosí, in der auch die Salzwüste liegt, hat dabei symbolische Bedeutung: In dieser Region hatten die spanischen Kolonialherren einst riesige Silbervorkommen geplündert. Diesmal sollen auch die eigenen Bewohner vom Ressourcenreichtum profitieren. Denn Bolivien hat das niedrigste Pro-Kopf-Einkommen in Südamerika, das „weiße Gold“ Lithium ist eine große Chance für das Land.
Alles nur eine Luftnummer?
Doch das Unterfangen kommt nicht ohne Risiken. Denn wie die Bundesregierung auf Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Uwe Kekeritz erklärte, liegen ihr keine Umweltgutachten für das geplante Projekt vor. „Wirtschaftliche Interessen der deutschen Industrie über die Menschenrechte zu stellen ist verantwortungslos“, kritisierte der grüne Entwicklungspolitiker. Die Gewinnung von Lithium sei mit enormen Risiken für Mensch und Umwelt verbunden. „Insbesondere die lokalen Gemeinden leiden unter Wasserknappheit und Umweltzerstörung, ohne von den Profiten aus dem Rohstoffabbau zu profitieren.“
Die Bundesregierung erklärte: „Sollte ACI Systems beim Bund Unterstützung des Projekts durch Instrumente der Außenwirtschaftsförderung beantragen, wird der Bund im Rahmen der Antragsprüfung insbesondere auch die Umweltaspekte des Projekts gründlich prüfen.“ Bislang liege so ein Antrag aber nicht vor. Solange muss die Bundesregierung darauf vertrauen, dass Bolivien selbst für die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechten sorgt.
Ein weiterer Punkt ist, ob das Gemeinschaftsunternehmen überhaupt die selbstgesteckten Ziele erreichen kann. Denn das Lithium im Salar de Uyuni gilt Experten zufolge als vergleichsweise unrein und teuer zu gewinnen und die bolivianische Regierung nicht gerade als verlässlicher Partner. Zudem ist es das erste Mal, dass ACI sich als Lithium-Förderer versucht. Der Duisburger Autowirtschaftsexperte Ferdinand Dudenhöffer hält das Projekt für zu risikoreich: „Für mich riecht das nach einer Luftnummer“.