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Geringes Wachstum : Deutschland zieht europäische Konjunktur herunter

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Im Einzelhandel fehlt aktuell die Dynamik. Bild: Lucas Bäuml

Im vergangenen Jahr ist der wirtschaftliche Abschwung nach Beginn des Ukrainekriegs noch ausgeblieben. Jetzt aber haben sich die Vorzeichen verkehrt. Vom größten Land des Euroraums ist vorerst wenig zu erwarten.

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          Die Wirtschaft im Euroraum ist zuletzt überraschend gewachsen und steuert damit vorerst nicht Richtung Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von Oktober bis Dezember um 0,1 Prozent zum Vorquartal, wie das Europäische Statistikamt Eurostat am Dienstag mitteilte. Von Reuters befragte Fachleute hatten mit einem Minus von 0,1 Prozent gerechnet.

          Im Sommer war die Wirtschaft noch um 0,3 Prozent gewachsen. Im Gesamtjahr 2022, das konjunkturell im Schatten des Ukrainekrieges stand, ergab sich immerhin ein Zuwachs beim BIP von 3,5 Prozent. Die Erosion der Kaufkraft durch eine rekordhohe Inflation habe im Schlussquartal jedoch deutliche Bremsspuren hinterlassen, sagt Ökonom Christoph Weil von der Commerzbank.

          „In der ersten Jahreshälfte 2023 wird die Wirtschaft wohl sogar leicht schrumpfen“, prophezeit der Fachmann. Denn dann dürften aus seiner Sicht die spürbaren Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) allmählich ihre Wirkung entfalten. Auch wenn sich die Konjunkturaussichten von den Sommermonaten an wieder aufhellten, sollte nach Ansicht von VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel vom Jahr 2023 nicht allzu viel erwartet werden: „Die Reallohneinbußen werden noch längere Zeit den privaten Konsum belasten.“

          Im deutschen Handel läuft es nicht

          Auch der deutsche Einzelhandel blickt nicht ohne Sorge auf das laufende Geschäftsjahr: Der Umsatz dürfte zwar um zwei Prozent wachsen, wie der Handelsverband Deutschland (HDE) prognostiziert. Inflationsbereinigt (real) dürfte er allerdings um drei Prozent sinken und damit deutlich stärker als 2022. „Der Einzelhandel behauptet sich 2023 unter nach wie vor schwierigen Bedingungen gut, verliert jedoch leicht an Boden“, sagte HDE-Präsident Alexander von Preen bei der Vorstellung der neuen Prognosen.

          Ende vorigen Jahres erwies sich Deutschland bereits als Bremsklotz für die Wirtschaft des Euroraums: Während Frankreich mit einem Plus beim BIP von 0,1 Prozent in der Wachstumsspur blieb und Spanien sogar einen Zuwachs von 0,2 Prozent schaffte, schrumpfte hierzulande das BIP um 0,2 Prozent. Dafür sorgten vor allem sinkende Konsumausgaben der Verbraucher, deren Kaufkraft unter den stark steigenden Preise leidet.

          Auch in Italien ging es mit der Wirtschaftsleistung bergab: um 0,1 Prozent. Dabei schlug insbesondere der Rückgang der Inlandsnachfrage negativ ins Kontor. Das Finanzministerium in Rom hat sich schon auf eine Rezession eingestellt: Es schätzte im November, dass die Wirtschaft nach einer Talfahrt Ende 2022 auch im ersten Quartal 2023 schrumpfen wird.

          Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rechnet für dieses Jahr mit viel Gegenwind, so dass 2023 nur ein leichtes Wachstum von 0,2 Prozent zu erwarten sei. Im Ministerium rechnet man mit besseren Zahlen ab dem Frühjahr. Laut der aktuellen Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) dürfte Deutschland verglichen mit anderen EU-Staaten 2023 schwach abschneiden.

          Der IWF sagt nur ein geringes Plus von 0,1 Prozent voraus. Frankreich soll mit einem prognostizierten Plus von 0,7 Prozent weit stärker wachsen. Auch Italien (Prognose: 0,6 Prozent) und Spanien (1,1 Prozent) werden sich laut IWF konjunkturell besser entwickeln als Deutschland. Für die gesamte Euro-Zone ist 2023 laut dem Fonds ein BIP-Plus von 0,7 Prozent drin.

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