
Größter Gewinn seit 15 Jahren : Die Weiter-so-Strategie der Deutschen Bank
- -Aktualisiert am
Christian Sewing hat die Bank saniert und Vertrauen zurückgewonnen. Nun braucht er einen Plan für die Zukunft. Bild: EPA
Die Deutsche Bank hat Vertrauen zurückgewonnen. Die bisherige Strategie der Solidität hat sich bewährt. Doch nach dem Aufräumen ist vor dem Gestalten. Es muss eine Erzählung für die Zukunft her.
Versprochen. Geliefert. Für die Innenwirkung in die Deutsche Bank hinein wird es von großer Bedeutung sein, dass die Bank für das Geschäftsjahr 2022 das beste Ergebnis seit 15 Jahren erzielt hat. Für die Außenwirkung ist es dagegen weniger bedeutend, ob das Ergebnis ein paar Millionen Euro höher oder niedriger ausfällt.
Was hier zählt, ist vor allem eines: Vertrauen. Das war nach den Skandalen im Zuge der Finanzkrise pulverisiert wurden. „Vertrauen ist der Anfang von allem“ war ein Werbeslogan der Bank in den neunziger Jahren. Der Satz taugte bis vor kurzem nur noch als Satire. Die Bilanz 2022 zeigt: Das Vertrauen ist zurück. Und zwar nicht bei den windigen Protagonisten dubioser Zockergeschäfte, sondern dort, wo das Vertrauen einer Bank hingehört: bei Mitarbeitern, Kunden und Investoren.
Die Zahlen des Jahres 2022 sind das Ergebnis einer Rosskur, die sich nun auszahlt. Die Strategie, sich auf die Geschäftsbereiche zu konzentrieren, in denen die Deutsche Bank mindestens unter den ersten drei Wettbewerbern zu finden ist, hat sich als richtig erwiesen. Was zu diesem Plan nicht passt, wird nicht wie früher passend gemacht, sondern abgetrennt. Größe ist kein Wert an sich mehr.
Sewing agiert weniger schrill als seine Vorgänger
Die Auswirkungen sind deutlich: Die Kosten sinken, die Erträge steigen, die Bank gewinnt Marktanteile zurück. Frühere Vorstandsvorsitzende hätten direkt wieder zum Angriff geblasen und die Bäume in den Himmel wachsen lassen. Die Töne des amtierenden Deutsche Bank-Vorstands sind weniger schrill und weniger aufgeregt. „Wir dürfen nicht nachlassen“, sagt Christian Sewing, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank geradezu schlicht. Er macht damit deutlich, dass die Bank dabei ist, Meilensteine zu erreichen. An ihrem Ziel der vollständigen Sanierung ist sie allerdings noch nicht angelangt.
Allein, dass Sewing das Aufräumen der „regulatorischen Defizite“ als ebenso wichtig erachtet wie eine höhere Profitabilität zeigt, dass die Bank in Sachen Regulierung noch immer wackelt. Die Schatten der unrühmlichen Vergangenheit reichen weit – für Rechtsrisiken gibt es noch immer Rückstellungen. Allein das unrühmliche Thema Cum-ex könnte noch böse Überraschungen bereit halten.
Die Deutsche Bank hängt bis auf Weiteres in einer Zeitschleife des „Weiter so“ fest. Das ist folgerichtig, denn die Nachhaltigkeit der positiven Ergebnisse muss das oberste Ziel sein. Zudem profitierte die Bank im vergangenen Jahr von einem erheblichen Steuereffekt. Es wäre unfair, die Entwicklungen der vergangenen Jahre mit diesem Effekt klein zu reden.
Es braucht eine Zukunftsstrategie
Zur Wahrheit gehört aber, dass die Zahlen wegen immer wieder ausgewiesener Sondereffekte seit Jahren schwer vergleichbar sind. Erst wenn das wieder möglich ist, kann die Sanierung als beendet erklärt werden. Auch diese Unsicherheit hat dafür gesorgt, dass der Aktienkurs in ersten Reaktion sehr deutlich fiel. Am Donnerstag ging jedoch der gesamte europäische Bankensektor in die Knie. Anhaltend hohe Inflation, Rezession, drohende Kreditausfälle, und die Weltlage setzen das Geschäftsmodell von Banken auch ganz ohne hausgemachte Probleme und Eigenheiten unter Stress.
Schon bald wird Sewing eine Zukunftsstrategie liefern müssen, die über die Sanierung hinausgeht. Da liegen zwei Optionen auf dem Tisch: über eine Fusion doch wieder zu den Großen der amerikanischen Wall-Street-Banken aufschließen oder als sehr viel leichteres Schnellboot um die deutschen Kunden kreisen und sie bei ihren Geschäftsaktivitäten in die Welt begleiten. Als kleinere und agilere Bank würde sie damit wieder zu ihren Wurzeln zurückkehren, bevor sie in den achtziger und neunziger Jahren jedes Maß verlor und der Wildwuchs begann.
Inzwischen ist sogar die Commerzbank wieder in der Gewinnzone angekommen und auf dem Sprung in den deutschen Leitindex Dax. Das wird Fusionsliebhabern und Anhängern eines starken nationalen Champions neuen Gesprächsstoff liefern. Diejenigen, die eine solche Fusion tatsächlich umsetzen müssten, dürften angesichts der regulatorischen und IT-technischen Anforderungen Alpträume drohen.
In der Deutschen Bank ist eine wohltuend neue Demut eingezogen. Mit der grünen Transformation der Wirtschaft kann sie zudem – wie die Finanzbranche insgesamt – ein Zukunftsthema besetzen und positiv beeinflussen. Das Vertrauen, dass sie das kann und wirklich will, muss sie sich erst noch erarbeiten. Ein konsequentes Aufarbeiten der Greenwashing-Vorwürfe in der Fondstochter DWS wäre dafür ein guter Anfang.