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Zukunftbündnis Schiene : Die Bahn soll in einen neuen Deutschlandtakt finden

Mit dem Zukunftbündnis Schiene will Scheuer die Bahn besser machen. Bild: dpa

Ein neues Bündnis will Verspätungen bekämpfen und doppelt so viele Fahrgäste in die Bahn locken. Dabei helfen soll ein Deutschlandtakt. Bis es soweit ist, müssen sich Kunden allerdings noch sehr lange gedulden.

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          Der Blick auf den Fahrplan erscheint so manchem Bahnkunden aktuell unnötig, weil der Zug sowieso zu spät ist. 30,2 Prozent der Fernzüge fuhren im August nach Bahn-Angaben den Planzeiten hinterher.

          Timo Kotowski
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Künftig soll der Blick auf die Aushänge verzichtbar sein, weil der ICE leicht einprägsam in jeder Stunde zuverlässig immer zu den gleichen Minuten einrollt. Das sieht das Konzept für einen Deutschland-Takt vor, den die Bundesregierung auf den Schienen hierzulande umsetzen will. Vom „größten Projekt im Eisenbahnbereich seit der Bahnreform von 1994“, sprach Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Dienstag in Berlin. „Der Deutschland-Takt macht Bahnfahren pünktlicher, schneller und die Anschlüsse direkter und verlässlicher.“

          Zurück in die Siebziger

          Ende der Siebziger Jahre hatte die Deutsche Bahn, die damals noch Bundesbahn war, mit dem griffigen Slogan „Jede Stunde, jede Klasse“ für ihre Intercity-Züge geworben. Ähnlich unkompliziert soll es mit dem Zielfahrplan für das Jahr 2030 werden, für den Scheuer einen Gutachterentwurf vorlegte. Im Deutschland-Takt sollen Züge zu festen Minuten ankommen und abfahren.

          Was in vielen Regionen Nutzern aus dem Nahverkehr bekannt ist, soll künftig auch auf allen Strecken im Fernverkehr gelten. Auf Hauptachsen, wie zwischen Hamburg und Frankfurt, dem Rhein-Main-Gebiet und München sowie Berlin und dem Ruhrgebiet, soll alle 30 Minuten ein ICE fahren. Und weil sich Züge an Knotenpunkten zur halben und zur vollen Stunde treffen, sollen Anschlüsse und Umstiege besser funktionieren. „Wir wollen den Wow-Effekt und Bahnfahren als Leidenschaft“, sagt Scheuer.

          Kürzere Reisezeiten

          Der neue Takt soll Reisezeiten verkürzen. Von Hamburg nach Murnau kurz vor Garmisch-Partenkirchen sollen Fahrgäste nur noch 6 Stunden und 11 Minuten unterwegs sein, statt aktuell 7 Stunden und 50 Minuten. Von Oelde im Münsterland nach Dresden soll es eine Stunde und sieben Minuten schneller gehen, von Freudenstadt im Schwarzwald nach Frankfurt immerhin 18 Minuten schneller.

          Außerdem sollen mehr Städte, in denen keine IC- und ICE-Züge halten, an das Fernverkehrsnetz angeschlossen werden – mitunter werden eingestellte Verbindungen wieder belebt, indem Züge über ihre Endpunkte hinaus nach Trier, Bremerhaven oder Tübingen verlängert werden. Bis es so weit ist, werde es aber noch dauern. 2030 soll der neue Bahn-Takt voll umgesetzt sein und doppelt so viele Fahrgäste wie gegenwärtig in die Züge locken.

          Zukunftsbündnis Schiene

          Für die Stärkung der Bahn hat Scheuer das Zukunftsbündnis Schiene gestartet. Dort sind Bahnunternehmen, Verbände, Techniklieferanten, Bauunternehmen und Gewerkschaften dabei. Der Deutschland-Takt ist nur ein Thema, weitere sind der Netzausbau mit der Elektrifizierung weiterer Strecken und eine Weiterentwicklung des Systems zur Vergabe und Berechnung von Fahrtrassen. Bahnkonkurrenten beklagen sich oft darüber und fühlen sich gegenüber dem Staatskonzern benachteiligt.

          Das Konzept für mehr Zugverbindungen ist keineswegs neu. Schon 2015 hatte der damalige Personenverkehrs-Vorstand Ulrich Homburg die „größte Kundenoffensive“ in der Geschichte des Fernverkehrs der Deutschen Bahn angekündigt. Einige Monate später musste er seinen Posten räumen, weil die erstarkenden Fernbusse der Bahn den konzerneigenen Fernzügen das Geschäft schwer machten.

          Ein Zug-Angebot, das bis 2030 um 25 Prozent wachsen soll und zwei Fahrtmöglichkeiten je Stunde auf Kernstrecken vorsieht, war schon in Homburgs damaliger Präsentationen enthalten. Organisationen wie der Fahrgastverband Pro Bahn und der Verkehrsclub Deutschland hatten ohnehin seit langem einen landesweiten Taktfahrplan gefordert, wie es ihn in der Schweiz gibt.

          Neubauten werden an Fahrplan angepasst

          Mit dem Deutschland-Takt ist auch ein großes Umdenken verbunden. Wurden in der Vergangenheit erst Neubauvorhaben geplant und dann die Fahrpläne gestrickt, soll es nun umgekehrt laufen. Der Entwurf für den Deutschland-Takt gibt vor, was 2030 auf hiesigen Gleisen möglich sein soll. Dementsprechend soll bis dahin investiert werden.

          Der Präsentation des Verkehrsministeriums zufolge sind weniger Bauten nötig, als zu vermuten wäre. Die vorhandene Verbindung von Berlin ins Ruhrgebiet soll abschnittsweise für bis zu 300 Stundenkilometer ausgelegt, zwischen Hamburg und Berlin soll auf einem Teilstück Tempo 250 möglich werden, zwischen Hanau und Würzburg 230. Damit Knotenpunkten eingehalten werden, müssen es ICE-Züge künftig in etwa 40 Minuten von Würzburg bis Nürnberg schaffen. Vor dem Zukunftstakt stehen daher erstmal Bauarbeiten, die ab 2020 erfolgen sollen.

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