
Herbsteinbruch in Deutschland : Was bleibt vom schönen Sommer?
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Am Rande eines Maisfeldes stehen verkümmerte Pflanzen, die keine Kolben gebildet haben. Unter der anhaltenden Trockenheit haben die Maispflanzen besonders gelitten. Bild: ZB
Dieser Sommer war heiß – dafür wurde er hochgelobt und zutiefst verteufelt. Was bleibt neben den schönen Freibad-Erinnerungen? Eine Bilanz zum Herbstbeginn.
An diesem Wochenende beginnt der Herbst, zumindest im größten Teil von Deutschland. Regen tropft vom Himmel, zum ersten Mal seit langem. Der Wind frischt auf, wirbelt das Laub von den Bäumen und formt es zu Knäueln auf den Straßen. In wenigen Stunden sind die Temperaturen um bis zu fünfzehn Grad gesunken. Wer morgens im T-Shirt aus dem Haus gegangen war, kehrte abends mit Pulli und Regenjacke zurück, sofern er auf die Prognose vertraut und die nötigen Utensilien eingepackt hatte.
Ein schöner Sommer ging zu Ende, der schönste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Seit April war es fünf Monate am Stück fast durchgehend warm und trocken, so trocken wie noch nie. Nimmt man den gesamten Zeitraum und nicht bloß die Sommermonate im engeren Sinn, dann handelte es sich auch um die wärmste Periode aller Zeiten.
Wetter der Extreme
Der absolute Hitzerekord wurde jedoch nicht gebrochen, und auch wetterbedingte Todesfälle waren wohl seltener als in früheren Rekordsommern, vermuten Medizin-Meteorologen: Weil die Wetterlage so stabil war, konnten sich die Menschen an die Wärme gewöhnen. Sie passten sich besser an, setzten sich zum Beispiel seltener der prallen Mittagssonne aus. Dabei ist noch gar nicht der langfristige gesundheitliche Nutzen eingerechnet, den Licht und Wärme für Körper und Seele spenden und der dazu beiträgt, dass die Lebenserwartung in Europa von Norden nach Süden steigt. Man könnte fast schon von einem mediterranen Lebensgefühl sprechen.
Natürlich war der Sommer nicht für alle schön. Brandenburgische Dorfbewohner mussten vor Waldbränden flüchten. Viele Bauern, beileibe nicht alle, klagten über Ernteausfälle, die sie freilich zum Teil durch Staatshilfen kompensiert bekamen. Dem deutschen Weißwein wird die charakteristische Säure fehlen, die Schifffahrt auf den Flüssen kam teilweise zum Erliegen, einige wenige Orte hatten Probleme mit ihrer Wasserversorgung. Die Tourismus- oder die Getränkebranche hingegen triumphierte, Biergärten verzeichneten Rekordeinnahmen, Freibäder zählten so viele Besucher wie noch nie.
Schwerer als die überschaubaren praktischen Probleme wogen diesen Sommer allerdings die bangen Fragen, was Trockenheit und Hitze bei allem sommerlichen Behagen über den globalen Klimawandel aussagen. Sosehr Wissenschaftler davor warnen, allzu eindimensional vom Wetter aufs Klima zu schließen, so einig sind sie sich doch, dass die Häufung von Rekordsommern und anderen Extremereignissen Rückschlüsse auf die langfristige Entwicklung zulässt. Dass wir die Energie, die über Jahrmillionen in Kohle, Öl oder Gas gespeichert wurde, binnen weniger Jahrzehnte wieder in die Atmosphäre entlassen, bleibt nicht ohne dramatische Folgen.
Eis statt Wüste
Zu leiden haben unter dieser Entwicklung allerdings nicht in erster Linie die Deutschen, dem Gejammer über den einen oder anderen Schweißtropfen zum Trotz. Die größten Opfer der Entwicklung sind die Bewohner pazifischer Inselstaaten, die weder Geld noch Platz für aufwendigen Deichbau haben. Es sind die Leute in ohnehin schon heißen Weltregionen, wo die Temperaturen vollends unerträglich werden. Es sind die Bauern am Rand jener Wüsten, die sich unerbittlich weiter ausdehnen. Die Deutschen handeln, im Gegensatz zu ihrem Selbstbild, auch nicht als Weltmeister im Klimaschutz. Die eigenen Ziele pflegen sie regelmäßig zu verfehlen. Ursachen und Folgen des Klimawandels fallen auch geographisch auseinander.
Es ist schwer, dagegen anzukommen. Nicht von ungefähr arbeitete der Regisseur Roland Emmerich in seinem Klimawandel-Schocker „The Day after Tomorrow“ mit dem umgekehrten Szenario: Weil durch das Abschmelzen der Polkappen der wärmende Golfstrom versiegt, verwandelt sich New York in eine unwirtliche Eiswüste. Wünschen kann man sich das nicht. Es wäre aber eine Vorstellung, die Bewohner der nördlichen Hemisphäre wirklich aufrütteln würde. Anders als ein warmer Sommer, von dem am Ende vor allem schöne Erinnerungen bleiben.