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Hanks Welt : Der liberale Kosmopolit

Friedrich August von Hayek im Jahr 1948 Bild: Picture Alliance

Der Ökonom Friedrich August von Hayek war ein intellektueller Vordenker in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Zäsuren. Bis heute kann seine Wirkung gar nicht überschätzt werden.

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          Wie erzählt man ein Leben? Man kann mit der Geburt beginnen. Oder besser noch mit der Zeugung. So macht es Laurence Sterne in seiner Erzählung von Leben und Ansichten des Tristram Shandy: „Ich wünschte, entweder mein Vater oder meine Mutter, oder fürwahr alle beide, hätten bedacht, was sie taten, als sie mich zeugten.“ Und so nimmt das Leben Tristram Shandys leider „unbedacht“ seinen Lauf. Besser gesagt, der Roman kommt nie wirklich über den Zeugungsakt und seine Vorgeschichte hinaus.

          Rainer Hank
          Freier Autor in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Aber so ein Beginn geht nur in der Literatur. Bei Berühmtheiten aus dem wirklichen Leben müssen die Biographen sich etwas anderes einfallen lassen. Sie können zum Beispiel mit dem Ende beginnen. So macht es Friedrich Wilhelm Graf in seiner kürzlich erschienenen Biographie des großen Gelehrten Ernst Troeltsch.

          Wir Leser versammeln uns am 3. Februar 1923, mittags um 12 Uhr, in der Haupthalle des Krematoriums von Berlin-Wilmersdorf, lassen den Trauerzug der Gebildeten der Weimarer Republik und die Nachrufe an uns vorbeiziehen und wissen sogleich: Hier wird ein bedeutender Mann zu Grabe getragen, auf dessen Leben wir neugierig gemacht werden sollen.

          Im Vergleich dazu startet die neue Biographie des großen Ökonomen Friedrich August von Hayek, um den es in dieser Kolumne gehen soll, vergleichsweise konventionell: Die beiden Autoren Bruce Caldwell und Hansjoerg Klausinger setzen ein mit der Hochzeit von Ha­yeks Eltern August und Felicitas am 24. Mai 1898 in Wien. Knapp ein Jahr später, wie es sich im Bürgertum ziemt, kommt der Erstgeborene, Friedrich August von Hayek, zur Welt.

          Seine Mutter schreibt „Fritzerls Tagebuch“ aus der Perspektive des Babys, Aufzeichnungen, die zur ersten Quelle der Biographen werden. Das Kind wächst im Fin-de-Siècle-Wien auf, der letzten Phase eines Goldenen Zeitalters der Stabilität. Es folgt, was der Historiker Eric Hobsbawm das „kurze 20. Jahrhundert“ genannt hat: unruhige Jahrzehnte mit Kriegen und Katastrophen – humanitär, politisch, ökonomisch. Und Nationalsozialismus und Kommunismus, anmaßende Großversuche kollektiven Größenwahns, die allesamt gescheitert sind.

          Gottseibeiuns des „Neoliberalismus“

          Hayek, der 1992 in Freiburg im Breisgau starb, hat dieses Jahrhundert in intellektueller Wachheit durchmessen: ein ökonomischer Denker, dessen Werk weit über das rein Ökonomische hinausragt. Krise und Depression der 20er und 30er Jahre, grauenhafter Krieg und Aufbau der Wohlfahrtsstaaten in den 50er und 60er Jahren und die abermalige Krise der Stagflation (so ähnlich wie heute) nach dem Ölpreisschock in den Siebzigerjahren lösten sich ab. Am Ende hat Hayek den Fall der Mauer und den Zerfall der Sowjetunion mit Genugtuung erlebt.

          Wenn es stimmt, dass wirtschaftliche und politische Zäsuren ihre intellektuellen Vordenker brauchen, dann kann die Wirkung Hayeks gar nicht überschätzt werden: als geistiger Vater jener liberalen Revolution, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren in England (Margaret Thatcher) und den USA (Ronald Reagan) den Staat von den Kommandohügeln stürzte und dem freien Markt seinen segensreichen Lauf ließ.

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