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Viehhaltung nach dem Weltkrieg : Rinder für Deutschland

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Gruppenfoto im Stall, anno 1957: die Kuh „Miss Hoffnung“ mit ihren neuen deutschen Besitzern und Vertretern des Spendervereins aus Amerika Bild: Brethren Historical Library and Archives

Kühe aus Übersee, tiefgefrorenes Bullensperma, Computer für die Bauern: So wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die Viehhaltung in Deutschland auf Leistung getrimmt. Unter den Auswüchsen leiden wir noch heute. Ein Gastbeitrag.

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          Die junge Kuh, die am 21. Oktober 1949 per Dampfschiff in Bremerhaven ankam, hatte eine weite Reise hinter sich. Sie war zunächst mit der Bahn von Chicago nach New York gereist, wo sie das Frachtschiff SS American Importer Richtung Deutschland bestiegen hatte. Ihr Gang von Bord einige Wochen später in Bremerhaven war ein Spektakel. Im Unterschied zu den 66 mitreisenden Rindern, die dabei auf eigene Muskelkraft angewiesen waren, hievte sie nämlich ein Kran aus der Ladeluke an Deck und schließlich an Land. Der Grund: Die Kuh war das 250. amerikanische Geschenkrind für den Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, und das wurde entsprechend gefeiert. Bei der Entladung zierte eine Tafel ihren Hals, die den anwesenden Schaulustigen den Zweck der weiten Reise erklären sollte. „Miss Safe“ sei ihr Name, war zu erfahren, und den trage sie, weil sie in den 15 Jahren, die sie voraussichtlich noch zu leben habe, „Tag für Tag 18 Menschenkinder ernähren“ werde.

          Den transatlantischen Viehtransport hatte das „Heifer Project Committee“ organisiert, eine christliche Hilfsorganisation aus den Vereinigten Staaten. Sie bündelte in Amerika gespendete Rinder und verschiffte sie dorthin, wo sie als lebende Entwicklungshilfe zur Versorgungssicherheit beitragen konnten. Seit Juni 1949 lief alle vier bis sechs Wochen ein Dampfer mit Rindern an Bord in Bremerhaven ein, von wo die Tiere kreuz und quer im Land verteilt wurden. Die Tiere waren für soziale Einrichtungen, landwirtschaftliche Forschungsinstitute und zum größten Teil für neu angesiedelte Flüchtlingsfamilien bestimmt. Schenkungsurkunden, Fotografien bei der Übergabe und persönliche Besuche von Vertretern des „Heifer Committee“ machten diese Rinder zu Symbolen der Westbindung der jungen Bundesrepublik.

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