Folgen des Handelsüberschusses : Daran ist Deutschland nicht schuld
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Unzählige Container werden jeden Tag im Hamburger Hafen verladen. Bild: dpa
Nicht nur von Donald Trump hagelt es Kritik am deutschen Leistungsbilanzüberschuss. Schadet er wirklich? Fachleute haben es nun nachgerechnet.
Die Zahl ist brisant – der in den vergangenen Jahren einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgewordene deutsche Leistungsbilanzüberschuss ist riesig. Fachleute haben gerade hochgerechnet, dass er sich in diesem Jahr wohl auf beinahe 300 Milliarden Dollar belaufen wird (264 Milliarden Euro), und dass dies der höchste solche Überschuss auf der ganzen Welt sein werde. Kein anderes Land schaffe ein Höheres. Das wäre dann das dritte Mal in Folge, dass Deutschland diesen „Spitzenplatz“ erreicht.
Zugleich schlägt sich die deutsche Wirtschaft weiter wacker. Der Aufschwung befindet sich in seinem neunten Jahr, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Staatseinnahmen sind hoch. Die Kombination aus beidem, dem hohen Leistungsbilanzüberschuss und der soliden Wirtschaftslage, bringt Deutschland indes merkliche Kritik ein. Der amerikanische Präsident Donald Trump findet das unfair, er vermutet gar, dass Deutschland (und andere) infolgedessen die Vereinigten Staaten ausbeute, inklusive der vielen verloren gegangenen Arbeitsplätze in manchen altehrwürdigen amerikanischen Industriezentren. Mehrfach drohte Trump der Bundesrepublik schon mit Importzöllen auf Autos.
„Es fehlen schlüssige Argumente“
Ökonomen des Ifo-Instituts haben sich nun mit dieser Behauptung auseinandergesetzt, und kommen zu dem Ergebnis: Das stimmt nicht. „Es fehlen sowohl schlüssige theoretische wie auch empirische Argumente dafür, dass ein Anstieg des Leistungsbilanzüberschusses oder der Nettoexporte mit einem allgemeinen Absinken der Arbeitslosenrate in dem jeweiligen Land verbunden ist“, fasst Außenwirtschaftsexperte Gabriel Felbermayr sein Ergebnis zusammen. Das Gegenteil sei der Fall. „Es sieht so aus, als gingen wachsende Leistungsbilanzüberschüsse eines Landes eher einher mit zunehmender Arbeitslosigkeit“, sagte er. Die Vorwürfe von Trump sind für ihn nicht haltbar.
Mehrere Ländergruppen haben er und der Mitautor Martin Braml analysiert. Und sie errechnen: Der deutsche Überschuss mag ja nicht nur positive Folgen haben – er allein sorgt aber zumindest nicht dafür, dass in den Vereinigten Staaten Stellen verloren gehen. „Ein negativer Zusammenhang ist jedenfalls dann nicht mehr erkennbar, sobald Besonderheiten der Länder hinzugenommen werden“, sagt Felbermayr.
Die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten wächst momentan mit hohem Tempo. Donald Trump hatte sie noch einmal befeuert mit einer umfangreichen Steuerreform und höheren Staatsausgaben. Wegen dieser Entwicklung, die bislang zumindest auch durch die Zinserhöhungen der amerikanischen Zentralbank nicht beeinträchtigt wird, weisen Ökonomen auch auf mögliche positive Effekte des Leistungsbilanzüberschusses der Deutschen hin: Hohe Kapitalexporte der Deutschen könnten sogar sehr nützlich sein, um Investitionen in Amerika leichter zu realisieren und dort auch Arbeitsplätze zu schaffen.
Die Kritik, die wegen des Leistungsbilanzüberschusses der Internationale Währungsfonds (IWF) an die deutsche Adresse richtet, entkräften die Ifo-Forscher mit ihrer Untersuchung aber nicht, wie sie selbst auch ausführen. Dessen Fachleute stellen in den Vordergrund, dass sehr hohe Überschüsse in der Leistungsbilanz (genauso wie Defizite) auf Dauer potentiell Finanzkrisen eher ermöglichen könnten. Die Ergebnisse der Studie schlössen nicht aus, dass ständige Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz zu Problemen führen können, betont Ökonom Felbermayr. „Es spricht einiges dafür, dass große Überschüsse oder Defizite aufgrund der damit einhergehenden Verschuldung zu Krisen führen können“, sagt er.
Unter anderem aus diesem Grund warnt auch die Europäische Kommission Berlin. Einen Überschuss von mehr als 6 Prozent der Wirtschaftsleistung in einzelnen Teilen des Europäischen Binnenmarkts hält Brüssel auf Dauer für problematisch.
„Arbeitsmarkteffekte taugen allerdings nicht für eine Rechtfertigung, Leistungsbilanzüberschüsse zu verteufeln“, betont Ifo-Experte Felbermayr gleichwohl. Um den Leistungsbilanzüberschuss zu reduzieren, sollte Deutschland dem IWF zufolge mehr in die öffentliche Infrastruktur und in Bildung investieren und zudem auch deregulieren. In Deutschland seien die Verfahren für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und das Planungsrecht zu komplex, kritisierte unlängst der Chef von Felbermayr, der Präsident des Ifo-Instituts Clemens Fuest, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er sprach sich für einen Abbau von Hemmnissen durch eine Unternehmenssteuerreform aus. Vor allem den Verlustausgleich hält er für zu streng.