Wenn Unternehmer stiften gehen
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Der Erfolg von Unternehmen hängt maßgeblich an der Organisationsstruktur. Bild: Peter von Tresckow
Monopole entstehen nicht nur dank technischer Innovationen. Auch organisatorische und soziale Weichenstellungen schaffen Wettbewerbsvorteile. Das zeigt ein Blick auf Ernst Abbe.
Ernst Abbe (1840–1905), aufgewachsen als Sohn eines Arbeiters, Nachfolger von Carl Zeiss und Mitinhaber der Firma, gilt als genialer Wissenschaftler und Erfinder von Mikroskopen und optischen Instrumenten, die ein Weltunternehmen mitbegründeten und die Forschung in Astronomie und Medizin beflügelten. Darüber hinaus galt er als Sozialreformer, der vermutlich als erster Unternehmer eine Interessenvertretung für Mitarbeiter schuf und auch dafür sorgte, ein halbes Jahrhundert vor anderen, dass bei Carl Zeiss niemand wegen seiner Religion, Abstammung oder politischen Meinung benachteiligt wurde.
Eine fast unbekannte Innovation ist Abbes Einfluss auf moderne Managementkonzepte. Was mag ihn bewogen haben, anders zu organisieren als alle Manager vor ihm? Er schuf eine lernende Organisation und sah Carl Zeiss als eine Wissensorganisation. 1885 rief er Meister und Gesellen zusammen und vermittelte ihnen zunächst die neuesten Erkenntnisse in der Optik, um dann gemeinsam zu überlegen, wie man das technisch anwenden könne. Dabei gab er den Facharbeitern große Autonomie, dies praktisch in der Produktion und in Serie umzusetzen. Entgegen Taylors „One Best Way“-Ansatz und Henry Fords Organisationsprinzip, das „Denken“ der Ingenieure vom „Tun“ der Arbeiter zu trennen, kombinierte Abbe Wissen und Facharbeit. Um optische Instrumente in dieser Qualität und Menge zu produzieren, mussten neue Managementmodelle entwickelt und neue Wege des Organisierens beschritten werden. Den Arbeitern wurden Vertrauen und Wertschätzung entgegengebracht, und Abbe ließ ihnen Freiheitsgrade zur Selbstorganisation. Er förderte bei den Arbeitern den Stolz auf ihre handwerkliche Tradition und Kultur und setzte auf betriebliche Kooperation und Wissensarbeit statt auf zunehmende Arbeitsteilung und Entfremdung.
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