
Das Impfen und der Fortschritt
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Nach der Impfung: ein Pflaster auf dem Oberarm Bild: dpa
Früher wurde zwangsgeimpft, heute will jeder seine Freiheit behaupten. Das ist keine gute Entwicklung. Es scheint, als hätten wir es mit der Abkehr von der technokratischen Vernunft zu weit getrieben.
Der Fehler wurde gleich am Anfang gemacht. Die Impfungen gegen das Coronavirus hatten damals noch gar nicht begonnen, aber nahezu alle deutschen Politiker beeilten sich zu versprechen, dass das Verabreichen des Impfstoffs nie und nimmer verpflichtend sein werde. Seither drehen die Sprachakrobaten immer weitere Pirouetten, die das Publikum stets aufs Neue verwirren. Es wird deshalb nicht mehr einfach nur „geimpft“, sondern „ein Impfangebot unterbreitet“ – was dann wiederum bei den Impfwilligen den Eindruck erweckte, der Staat drücke sich seinerseits um jede Form von Verbindlichkeit herum: Ein bloßes „Angebot“ für eine Impfung ist schließlich noch nicht die Impfung selbst.
Dabei könnte alles so einfach sein. Nehmen wir die Pocken, jahrhundertelang eine Geißel der Menschheit. Im Jahr 1967 beschloss die damals noch mächtige Weltgesundheitsorganisation eine weltweite Impfpflicht, bei der Seuchenbekämpfung waren sich kapitalistische und kommunistische Welthälfte einig. Während der Siebzigerjahre waren letzte Ausbrüche zu verzeichnen, im Jahr 1980 wurde die Welt für pockenfrei erklärt. Insgesamt wurden 2,8 Milliarden Menschen geimpft, bei einer Weltbevölkerung, die auf dem Höhepunkt der Kampagne rund vier Milliarden Menschen umfasste. Von einer solchen Quote ist die Weltgemeinschaft heute bei Corona weit entfernt.
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