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Cum-Ex-Geschäfte : Jetzt büßen die Banker

In der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt dürften bald mal wieder Ermittler vorbeischauen. Bild: Wolfgang Eilmes

Im Cum-Ex-Skandal macht die Staatsanwaltschaft auch vor den Führungsetagen der Banken nicht halt. Dass die zwielichtigen Geschäfte nun hart verfolgt werden, ist gut so – doch der Jubel über das rigide Vorgehen bleibt im Halse stecken.

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          Auf die Staatsanwaltschaft ist Verlass: Zielgerichtet und mit unerbittlicher Härte fegt sie durch die Handelssäle der Republik und macht auch vor den Führungsetagen der Banken nicht halt. Gerade erst haben das amtierende und ehemalige Größen der Deutschen Bank erfahren: Vorstandsmitglied Garth Ritchie sowie die beiden ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain und der schon länger gerichtsbekannte Josef Ackermann gehören nun auch zum Kreis der Beschuldigten – alles im Zusammenhang mit dem Steuerskandal, der unter dem Namen „Cum Ex“ bekanntgeworden ist. Erste Anklagen sind schon erhoben, unter anderem gegen den Strippenzieher, bald wird die Sache öffentlich verhandelt.

          Das könnte man bejubeln als beherztes Vorgehen im größten Steuerbluff aller Zeiten, schließlich haben Händler über Jahre hinweg dem deutschen Fiskus mit erschreckender Mühelosigkeit etliche Milliarden aus dem Kreuz geleiert. Schätzungen gehen derzeit von einem Schaden von etwa 55 Milliarden Euro aus. Das haben sie mit Hilfe von komplizierten Dividendengeschäften getan, die mit Steuerrückzahlungen vom Staat gesegnet waren. Diese Steuerrückzahlungen haben sich die Beteiligten mutmaßlich nicht nur einmal, sondern immer wieder vom Finanzamt geholt und die Beute untereinander geteilt. Auf diese Idee muss man erst einmal kommen.

          Doch der Jubel über das rigide Vorgehen bleibt im Halse stecken – nicht nur weil er im Strafverfahren ohnehin reichlich unangebracht ist, schließlich müssen sich hier Privatpersonen verantworten, für die die Unschuldsvermutung gilt. Der Jubel bleibt auch deshalb aus, weil das Versagen des Staates so evident ist. Kurz bevor die Taten verjähren, wird die Staatsanwaltschaft noch mal aktiv – all das ist ohne penetrante Passivität der Finanzbehörden zuvor nicht zu erklären.

          Die Banken geben sich reumütig

          An Warnungen über die Machenschaften, an denen sich etliche Banken beteiligten, hat es nicht gemangelt. Trotzdem hat das Bundesfinanzministerium jahrelang erst gar nicht und dann unzureichend reagiert. Das war nicht nur schädlich für den Steuersäckel, es war auch schlecht für die Wahrnehmung dessen, was da jahrelang geschah. Vielen waren die Vorgänge schlicht zu komplex, um sie komplett zu durchdringen und sich ihnen entschlossen entgegenzustellen.

          In dieser Gemengelage konnte die kuriose Rechtsauffassung gedeihen, die mehrfache Rückerstattung sei zwar unfein, aber rechtlich gestattet. Juristen diskutierten damals kontrovers und durchaus leidenschaftlich, ob die Schattierungen des rechtlichen Graubereichs schon das Schwarz erreicht hätten. Das ist heute genauso undenkbar wie die Auffassung, Schmiergeld sei so unverzichtbar für die Geschäftsanbahnung, dass man es von der Steuer absetzen darf. Trotzdem war genau das über Jahrzehnte die Gesetzeslage.

          Das ist nichts weniger als ein deutliches Zeichen, dass sich der Zeitgeist in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt hat: Steuerhinterziehung und Steuerbetrug werden viel ernster genommen als zuvor. Die Banken selbst haben das eingesehen und geben sich reumütig. Reihenweise erstatten sie den Finanzbehörden die erschlichenen Zahlungen. Ob das jemals den Schaden ausgleichen kann, darf getrost bezweifelt werden.

          Dass die zwielichtigen Cum-Ex-Geschäfte nun anders bewertet werden, ist gut so – und längst überfällig. Trotzdem kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es jahrelang anders war. Das wird auch in den Hauptverhandlungen vor den Strafgerichten eine Rolle spielen, sollten die Richter endlich einmal zum Zuge kommen. Dort werden die Strafverteidiger wahrscheinlich genüsslich auch auf die Rolle des Staates hinweisen, die schon ein Untersuchungsausschuss des Bundestages beschäftigt hat – mit den gewohnten politischen Schuldzuweisungen.

          Womöglich wird das eine oder andere Verfahren gegen Auflagen eingestellt. In Zukunft sollte der Staat klarer und schneller die Grenzen ziehen. Dann spart er sich auch die Aufräumarbeit.

          Corinna Budras
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.

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