Anzeige gegen Olaf Scholz : Strafverteidiger Gerhard Strate legt sich mit dem Kanzler an
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Gerhard Strate, bekannter Strafverteidiger aus Hamburg. Bild: Henning Bode
Gegen den früheren Ersten Bürgermeister Hamburgs und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz und seinen damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher, der heute Bürgermeister ist, hat Strate eine Strafanzeige wegen ihrer Rolle in der Cum-ex-Affäre gestellt.
Die Geschichte wiederholt sich. Nach der Finanzkrise der späten 2000er-Jahre gab sich Gerhard Strate, renommierter Strafverteidiger aus Hamburg, als Kritiker von Turbokapitalismus und krummen Geschäften von Banken. Nun hat der mittlerweile 71 Jahre alte Anwalt mit der Steuergeldaffäre rund um die Hamburger Warburg-Bank einen anderen lupenreinen Skandal direkt vor seiner Haustür ausgemacht.
Und wie am Donnerstag bekannt wurde, hat Strate wieder eingegriffen: Gegen den früheren Ersten Bürgermeister Hamburgs und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz und seinen damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher, der heute Bürgermeister ist, hat er Strafanzeige wegen ihrer Rolle in der Cum-ex-Affäre gestellt: Er wirft den beiden Sozialdemokraten in der 38 Seiten langen Anzeige, die der F.A.Z. vorliegt, Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor und Scholz auch falsche uneidliche Aussage.
Mehrere Anzeigen liegen schon vor
Es ist nicht die erste Anzeige zu diesem Komplex, die bei der Hamburger Staatsanwaltschaft eingegangen ist – bislang ohne Folgen. Sie hat aber gleich für erhebliches Aufsehen gesorgt. Grundsätzlich gilt: Eine Strafanzeige bringt noch niemanden vor ein Gericht, geschweige denn in ein Gefängnis. Tschentscher und Scholz hatten alle Vorwürfe einer politischen Einflussnahme auf die Finanzbehörde sowie das für M. M. Warburg zuständige Finanzamt von sich gewiesen. In seiner Zeugenaussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Cum-ex-Affäre in Hamburg Ende April 2021 bezeichnete Scholz die Vorhalte als „Schauermärchen“. Tschentscher muss dem Gremium am 6. Mai Rede und Antwort stehen.
Doch Strates Strafanzeige zeugt von tiefen Kenntnissen der Cum-ex-Geschäfte der Warburg-Bank und ihrer Geschäftspartner sowie der internen Abläufe im Finanzamt für Großunternehmen im Herbst 2016. Hamburgs Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich, an den das Schreiben adressiert ist, tut also gut daran, Inhalt und Vorwürfe ausreichend zu prüfen – ob es überhaupt zu Ermittlungen käme, hängt vor allem von der Erhärtung eines Anfangsverdachts ab.
Es geht dabei um die Frage, warum Finanzbehörde und Finanzamt in Hamburg 2016 entschieden haben, rund 47 Millionen Euro an Steuern von der Warburg-Bank zunächst nicht zurückzufordern, und 2017 erst vom Bundesfinanzministerium dazu angewiesen werden mussten. So argumentiert Strate, dass Tschentscher bei der Entscheidung 2016 als damaliger Finanzsenator auch die Aufsicht über die Finanzämter hatte und damit verpflichtet gewesen sei, gesetzwidriges Handeln seiner Behörde zu verhindern. „Die kriminelle Einbettung dieser Geschäfte lag bereits 2016 auf der Hand“, heißt es in der Anzeige, „und kein Finanzgericht wäre bereit gewesen, deren Anliegen zu fördern.“
Aussagen sind „unglaubwürdig“
Dem heutigen Bundeskanzler wirft Strate zudem vor, dass seine Aussagen im Hamburger Untersuchungsausschuss, wonach er keine Erinnerungen an bestimmte Treffen und Gespräche mit Spitzenvertretern der Bank 2016 und 2017 habe, „unglaubwürdig“ seien.
Strates Sinn für Gerechtigkeit und seine Ausdauer sind jedenfalls sehr ausgeprägt. Ausgehend von seiner privaten Empörung über dubiose Transaktionen der Spitzenmanager der einstigen HSH Nordbank (heute Hamburg Commercial Bank ) kamen Ermittlungen vor mehr als einem Jahrzehnt überhaupt erst ins Rollen. Die damaligen Bankchefs um Dirk Jens Nonnenmacher hatten die hochriskanten Geschäfte im Umlaufverfahren genehmigt, ohne diese eingehend zu prüfen. Dass sie vor einem Strafgericht standen, geht auf einen einzelnen Anzeigensteller zurück: Gerhard Strate.