
Pandemie : Ungeschriebene Corona-Gesetze
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Eine Frau desinfiziert sich an einer Kölner Straßenbahnhaltestelle die Hände. Bild: dpa
Die schweigende Mehrheit hat in den vergangenen beiden Jahren gelernt, rücksichtsvoll mit Freunden, Verwandten und Kollegen umzugehen. Das ist nun das Maß der Dinge.
Wer die letzten beiden Jahre auf einem anderen Planeten verbracht hat, kann den Eindruck bekommen, es habe sich in der Corona-Bekämpfung fast gar nichts getan: In Alten- und Pflegeheimen gibt es wieder pauschale Besuchsverbote, weshalb die Angehörigen Alarm schlagen. In den Unternehmen wird die Home- beziehungsweise Office-Pflicht diskutiert. Und in den Nachrichten ist wieder einmal von Rekordinzidenzen die Rede. Das alles führt zu der Frage: Ist das mit dem sogenannten Freedom-Day tatsächlich so eine gute Idee?
Natürlich ist es das. Denn, und das ist eine hundertfach durchgekaute Erkenntnis, es ist alles ganz anders als im März 2020. Wer will, ist doppelt und dreifach geimpft. Nur sehr, sehr wenige Menschen können sich aus gesundheitlichen Gründen nicht schützen. Darum ist es verhältnismäßig, vom 20. März an die Regeln zu lockern und sich auf den „Basisschutz“ zu beschränken.
Das Virus wird damit zwar nicht zur Privatsache erklärt, wohl aber zu einer Sache der Eigenverantwortung. Das ist gut so, denn die große, oft schweigende Mehrheit der Menschen hat in den vergangenen beiden Jahren gelernt, rücksichtsvoll mit Freunden, Verwandten und Kollegen umzugehen. Diese eingeübten Regeln jetzt zum ungeschriebenen Gesetz zu machen ist der einzige vernünftige Weg aus der Krise.
Am Arbeitsplatz ist das besonders wichtig. Vielerorts werden die Beschäftigten nun in die Büros zurückgerufen. Aber natürlich dürfte es kaum einen verantwortungsvollen Chef geben, der Kollegen, die sich körperlich oder psychisch nicht gewappnet fühlen, von heute auf morgen in ein Großraumbüro zwingt.
Es muss aber auch klar sein, dass die Gesellschaft als Ganzes nicht länger grenzenlose Rücksicht auf die nichtgeimpfte Minderheit nehmen kann, die nicht mitziehen will und die in den vergangenen Monaten viel zu viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Die Welt hat andere Probleme, als sich auf Verschwörungstheoretiker und Esoteriker einzulassen. Im Vergleich zu der Gefahr, im kommenden Herbst wieder von vorne diskutieren zu müssen, ist die Impfpflicht das kleinere Übel.