Hilfsmittelbranche : Corona und Bürokratie belasten Sanitätshäuser
- -Aktualisiert am
Unternehmen, die Patienten mit medizinischen Hilfsmitteln versorgen, sehen sich Rückschlägen durch die Corona–Krise ausgesetzt. Dazu zählen beispielsweise Hersteller von Prothesen. Bild: AP
Die Corona-Krise macht auch vor Unternehmen nicht halt, die Patientin mit medizinischen Hilfsmitteln versorgen. Laut einer Online-Umfrage des DIHK erwarten 70 Prozent dieser Betriebe im laufenden Jahr Umsatzrückgänge wegen der Pandemie.
Die deutschen Unternehmen, die Patienten mit medizinischen Hilfsmitteln versorgen, sehen sich Rückschlägen durch die Corona-Krise und durch eine wachsenden Bürokratie ausgesetzt. Diese Doppelbelastung mache der Branche „schwer zu schaffen“, heißt es in einer noch unveröffentlichten Untersuchung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags DIHK, die der F.A.Z. vorliegt. Hilfsmittel sind zum Beispiel Prothesen und Orthesen, Kompressionsstrümpfe, Schuheinlagen, Bandagen, Inkontinenzprodukte. Befragt wurden 146 Sanitätshäuser und Home-Care-Unternehmen, also Vertriebsorganisationen von Medizinprodukten für die häusliche Versorgung.
Mehr als 70 Prozent der Betriebe, die an der Online-Umfrage teilnahmen, erwarten im laufenden Jahr Umsatzrückgänge wegen der Pandemie, in den meisten Fällen um 10 bis 25 Prozent. 60 Prozent haben Kurzarbeit beantragt. Die Studie erklärt das mit verschobenen Operationen und generell mit der geringeren Zahl an Krankenhausaufenthalten in der Corona-Zeit. In einigen Feldern gab es aber auch eine steigende Nachfrage, etwa nach Sauerstoffgeneratoren oder Desinfektionsmitteln. Insgesamt bewerten rund 17 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als schlecht. Für 26 Prozent ist sie gut, für 57 Prozent immerhin befriedigend.
Als belastend empfindet die Hilfsmittelbranche die hohen administrativen Pflichten. Die Hälfte der Befragten gab an, rund ein Drittel ihrer Arbeitszeit für Verwaltung, Abrechnung und ähnliches einzusetzen. „Es ist erschreckend, wie viel Zeit Betriebe der Hilfsmittelbranche durch Bürokratie verlieren“, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks dieser Zeitung. „Gleichzeitig ist die Branche durch ausgefallene Operationen während der Corona-Pandemie stark gebeutelt.“ Hilfsmittelleistungserbringer verbrächten „täglich unzählige Stunden mit der Dokumentation ihrer Arbeit“, monierte auch Jens Sellhorn, Geschäftsführer von Reha-Vital, einer an der Umfrage beteiligten Interessenvertretung. „Wir beobachten diese Entwicklung mit großer Sorge, zumal die Bürokratiepflichten durch neue europäische Vorgaben noch steigen werden.“
Hoffnung auf E-Rezept
Sellhorn bezog sich auf eine EU-Verordnung über Medizinprodukte, die von Mai 2021 an höhere Anforderungen an die Dokumentation und an die Bewertung bestimmter Produkte stellt. Das erschwere den Marktzugang für innovative und individuell gefertigte Medizinprodukte, bemängelte Sellhorn. DIHK-Vize Dercks ergänzte: „Statt neuer Belastungen brauchen unsere Unternehmen weniger Bürokratie, gerade in Zeiten der Krise.“
Die für 2021 geplante Einführung eines elektronischen Rezept sieht der Wirtschaftszweig überwiegend positiv. Das Verfahren soll die Verschreibung, Bestellung und Abholung von Arznei- und Hilfsmitteln vereinfachen sowie unnötige Kontakte zwischen Patienten, Ärzten und Apothekern vermeiden. Mehr als ein Drittel der befragten Betriebe erwarten davon effizientere Abläufe. Allerdings glaubt nicht einmal ein Viertel, dass damit ein Durchbruch bei der dringend benötigten Entbürokratisierung einhergeht. Denn das E-Rezept vereinfache nur einen von vielen Schritten im Versorgungsprozess vom Auftrag bis zur Abrechnung. Drei Viertel der Unternehmen wünschen sich gänzlich digitale Verfahren. Dem stehe zum Beispiel entgegen, dass Abrechnungen bei den Krankenkassen noch immer auf Papier erfolgen müssten.