Schlange stehen in Rom : Die ewige Stadt steht still
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Blick auf das Pantheon Bild: EPA
Der Supermarkt lässt nur wenige Kunden gleichzeitig einkaufen, Schlange stehen ist auf einmal normal in Rom und das Streben nach „bella figura“ für viele nicht mehr so wichtig. Eindrücke aus einer Stadt im Zeichen der Coronakrise.
Über Nacht hat sich das Leben geändert in Rom. Die Straßen sind leer, die wenigen Einwohner auf der Straße begegnen sich mit respektvoller Entfernung und mehr als die Hälfte trägt eine Maske. Vorbei die Zeiten der überschwänglichen Begrüßungen, Küsschen rechts und Küsschen links. Mit Schulterklopfen und Anfassen auf vielerlei Weise. Drei warnende Reden an die Nation des Ministerpräsidenten, mit immer strengeren Einschränkungen, versetzen auch die Römer in Alarmstimmung. Wenn nun alle auf Distanz gehen und viele ihr Gesicht hinter einer Maske verstecken, steigert das die allgemeine Furcht.

Wirtschaftskorrespondent für Italien und Griechenland mit Sitz in Rom.
Das Fernsehen berichtet von Dramen um ausgelastete Intensivstationen in Mailand. Für die sonst auf Präsentationsformen bedachten zahllosen Fernsehdiskussionen hat sich das Bild geändert. Ins Bild kommen manchmal Politiker mit Schutzmaske. Auf jeden Fall wird nun aus der Distanz interviewt. Fernsehstudios sind ohne Publikum, die Zahl der Studiogäste oft auf einen oder zwei begrenzt, alle anderen werden von zu Hause zugeschaltet. Auch damit wird in den Köpfen die Katastrophenstimmung verstärkt, noch bevor die Römer überhaupt auf die Straße gehen.
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Der Supermarkt lässt immer nur fünf oder sechs Kunden gleichzeitig einkaufen, Zutritt nur einzeln. Vor dem Eingang wird diszipliniert gewartet, in fünf oder zehn Meter Abstand voneinander, in einer langen Schlange, die quer über einen Platz reicht. Ein mit Schutzmasken ausgestattetes Ehepaar begegnet sich und bespricht nur aus der Entfernung in aller Lautstärke das weitere Einkaufsprogramm – er kündigt an, er werde nun zur Apotheke gehen und fragen, ob die bestellten neuen Masken angekommen seien. In gewöhnlichen Zeiten hatten sich alle auf irgendwie ungeregelte Weise vorgedrängelt, denn Schlange stehen wie in England schienen Italiener nie gelernt zu haben. Nun fragt jeder Neuankömmling brav, wo denn das Ende der langen Menschenkette auf der Piazza sei.
Kein Eintritt ohne Handschuhe
Am Eingang steht nun: Kein Eintritt ohne Handschuhe. Noch vor einigen Tagen konnte man locker darüber hinwegsehen und trotzdem hinein. Nun will das Personal niemanden mehr mit bloßen Händen zwischen den Regalen sehen, während doch noch vor wenigen Tagen die Äpfel gegen alle Vorschriften mit bloßen Händen betatscht wurden. Aus dieser Zeit hängt über der Obsttheke noch das mahnende Schild: „Bitte verwenden Sie gerade in diesen Tagen die Handschuhe“. Die Plastikhandschuhe aus der Obstabteilung liegen nun am Eingang aus. Viele der Besucher haben aber schon von vorneherein eigene Gummihandschuhe an. Auch im Supermarkt selbst haben sich die Umgangsformen verändert: In den kleinen Supermärkten des Zentrums sind die Regale eng gestellt, die Gänge eng. Immer war man bisher gezwungen, sich auf dem Weg von der Kühltheke in Richtung Kasse an anderen Kunden vorbeizuquetschen. Nun ist Distanz selbstverständlich, es gilt Einbahnverkehr: ein Schritt zurück, damit andere in sicherer Entfernung vorbei können.
An der Kasse gilt ebenso Anstehen mit Sicherheitsabstand. Doch es gibt ein Missverständnis. Die vorangehende Kundin hatte bezahlt, ist aber noch nicht fertig mit dem Einpacken. Die Kassiererin interveniert: „Warten Sie, gerade zwei Kunden ohne Maske müssen den Abstand einhalten“. Sie fühlt sich angespornt, noch mehr zu sagen: „Ohne Maske kommen Sie womöglich schon bald nicht mehr in den Supermarkt“. Gegenfrage: „In den Apotheken hängen überall die Schilder mit: Masken ausverkauft. Wie kommt es dann, dass so viele Italiener Maske tragen?“ Das sei doch ganz einfach, meint die Verkäuferin. „Habe ich selbst geschneidert, und noch für die halbe Belegschaft. Dieser eine Kollege hier hatte dagegen Beziehungen und seine eigene Quelle für Masken“.
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