Corona-Krise : Forscher rechnen mit mehr als drei Millionen Arbeitslosen
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Alles dicht: Viele Betriebe schicken ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit. Bild: dpa
Die Corona-Pandemie könnte den deutschen Arbeitsmarkt härter treffen als bisher angenommen. Die Zahl der Arbeitslosen wird wohl kräftig steigen. Es gibt aber auch einen Hoffnungsschimmer.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Corona-Krise deutlich stärker auf den deutschen Arbeitsmarkt auswirken könnte als bisher vermutet. In einer am Freitag veröffentlichten Analyse prognostiziert das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung – die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit – dass die Zahl der Arbeitslosen in den kommenden Monaten auf über drei Millionen steigen könnte. Im März gab es in Deutschland 2,335 Millionen Arbeitslose.
Zugleich könnte die Zahl der Erwerbstätigen – zuletzt 45,1 Millionen – um rund eine Million Menschen zurückgehen. Darunter seien auch etliche hunderttausend Minijobber, die von der Möglichkeit zur Kurzarbeit nicht profitierten, heißt es in der Untersuchung.
„Enorme Wucht“
Sie enthält auch eine gute Nachricht: Es sei davon auszugehen, dass der Arbeitsmarkt nicht im selben Maße einbrechen wird wie die Konjunktur, schreiben die Autoren. Denn seit der Weltfinanzkrise im Jahr 2009 zeige sich, dass die Erwerbstätigkeit in Deutschland deutlich robuster gegenüber konjunkturellen Schwankungen sei als früher. Angesichts des enormen Fachkräftebedarfs scheuten viele Betriebe selbst in Krisenzeiten davor zurück, Personal abzubauen. Sie sorgen sich, dass sie anschließend keine neuen Mitarbeiter finden.
Dass der Arbeitsmarkt dennoch stark unter Druck gerate, liege „an der enormen Wucht des wirtschaftlichen Schocks“, schreiben die Forscher des IAB. Neu sei der nahezu vollkommene Ausfall der Wirtschaftstätigkeit etwa im Gastgewerbe, im stationären Handel, im Tourismus und im Kulturbetrieb – Bereiche, die von Konjunkturschwankungen üblicherweise weniger stark betroffen sind. Die Autoren gehen davon aus, dass das reale Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 8,4 Prozent schrumpfen könnte und im zweiten Quartal sogar um 14,6 Prozent einbrechen wird.
Im Verlauf der zweiten Jahreshälfte könnte die Zahl der Arbeitslosen dann wieder gut die Hälfte des vorherigen Anstiegs wettmachen, schreiben die Forscher – vorausgesetzt, es kommt zu einer Normalisierung des Wirtschaftslebens. Für den Jahresdurchschnitt ergebe sich dann ein Anstieg um 520.000 Personen. Einen ähnlichen Effekt erwarten sie für die Entwicklung der Erwerbstätigkeit: Hier rechnen sie im Jahresdurchschnitt mit einem Rückgang um 470.000 Personen.
Weit stärker zunehmen als die Arbeitslosigkeit dürfte die Kurzarbeit. Zuletzt hatten 718.000 Betriebe in Deutschland Kurzarbeit angemeldet – gut jeder dritte in Deutschland. Darunter sind viele Betriebe aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe sowie dem Handel. Noch offen ist, wie viele Beschäftigte davon betroffen sind. Das IAB verweist auf eine aktuelle Befragung der Universität Mannheim, wonach Mitte April 10,8 Prozent der Erwerbstätigen in Kurzarbeit gewesen sein könnten – das würde etwa fünf Millionen Menschen entsprechen. Im Jahresdurchschnitt erwarten die Forscher 2,5 Millionen Kurzarbeiter.
Dementsprechend schnell könnte das Finanzpolster der Bundesagentur für Arbeit von immerhin fast 26 Milliarden Euro aufgebraucht sein. Der Leiter des IAB, Bernd Fitzenberger, hatte schon am Donnerstag vorausgesagt, diese Reserve werde „nach unserer Einschätzung dieses Jahr zu Ende gehen“. Union und SPD hatten in der Nacht auf Donnerstag beschlossen, die Leistungen für Kurzarbeiter und Arbeitslose zu erhöhen. Im Detail soll das Kurzarbeitergeld – gestaffelt nach der Bezugsdauer – auf bis zu 80 Prozent und für Eltern auf bis zu 87 Prozent erhöht werden. Derzeit zahlt die Bundesagentur für Arbeit bei Kurzarbeit 60 Prozent und für Eltern 67 Prozent des Lohnausfalls. Für Arbeitslose, deren Anspruch zwischen Mai und Dezember dieses Jahres enden würde, wird zudem das Arbeitslosengeld I um drei Monate verlängert.
Aus Sicht des IAB steckt in den hohen Kurzarbeiterzahlen aber auch ein hoffnungsvolles Zeichen. Es signalisiere „eine starke Bereitschaft vieler Betriebe, ihre Arbeitskräfte zu halten“, schreiben die Autoren. Gemessen an der Größe des wirtschaftlichen Schocks dürfte sich die Entwicklung der Arbeitsmarktzahlen daher noch vergleichsweise in Grenzen halten.