Corona-Impfung : Wenn der Datenschutz zur Dauerausrede wird
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Gut informiert Seniorin bei der Corona-Impfung Bild: dpa
Senioren müssen über Corona-Impfungen informiert werden. Das stellt die Behörden vor ungeahnten Herausforderungen. Der Schuldige dafür ist schnell gefunden.
Die neuen Aufgaben in der Corona-Pandemie reißen nicht ab: Jetzt stehen zwar die Impfzentren, auch der knappe Stoff ist verteilt, aber die zu impfende Bevölkerung, namentlich die über 80-Jährigen, darf nur auf Umwegen darüber informiert werden – wegen datenschutzrechtlicher Bestimmungen. So jedenfalls erläutert das niedersächsische Gesundheitsministerium in einer Presseerklärung, warum die Behörde nicht auf den „Melderegisterdatenspiegel“ zurückgreifen kann, sondern nur auf die „Vermieterdatenbank“ der Deutschen Post Direkt GmbH. Das wäre in der Tat erklärungsbedürftig, womöglich gar ein „unglaublicher Impf-Irrsinn“, wie etwa die „Bild“ daraufhin titelte.
Widerspruch indes ließ nicht lange auf sich warten: Die beiden Datenschutz-Vorkämpfer Peter Schaar und Ulrich Kelber schalteten sich auf der Kurznachrichtenplattform Twitter ein, nicht etwa, um – wie so häufig – den strengen Datenschutz zu verteidigen, sondern um unumwunden festzustellen: Selbstverständlich habe das niedersächsische Ministerium das Recht, auf die Daten zuzugreifen.
In das gleiche Horn stießen Anwälte mit einer Fülle von Verweisen auf die einschlägigen Normen, inklusive der „Doppeltür-Rechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Christian Franz formuliert das so: „Das Vorgehen der niedersächsischen Behörden ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, und zwar nicht nur nach fachlichen Maßstäben, sondern auch nach dem Maßstab des gesunden Menschenverstands“, kritisiert er. „Warum der Erhebung amtlicher Daten der Datenschutz entgegenstehen sollte, der Erhebung der gleichen Daten bei einem privaten Anbieter wie der Deutschen Post AG aber nicht, ist rational nicht begründbar.“
Doppelt hält besser
Die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen, Barbara Thiel, stellte ebenfalls klar, dass es „kein grundsätzliches datenschutzrechtliches Hindernis gibt, auf Meldedaten zurückzugreifen, um Impfinformationen an Bürger zu schicken“, und erläuterte zugleich die Möglichkeiten, darunter auch eine Gruppenanfrage über die Kommunen, wie sie zum Beispiel auch zum Zwecke der Wahlwerbung genutzt wird. Dafür können auch private Dienstleister eingesetzt werden. Ihre Ausführungen allerdings schließt sie mit einem vielsagenden Hinweis: „Bedauerlicherweise ist mein Haus in diesen Fragen nicht vom Sozialministerium eingebunden worden.“ Und ihr Sprecher findet noch klarere Worte: „Das passt natürlich ins Narrativ ,Datenschutz gefährdet Leben‘. Das ist aber Unsinn.“
Die Senioren in Niedersachsen können sich derweil nicht über zu wenig Informationen beklagen: Sie werden zweimal angeschrieben. Neben der Deutschen Post haben die Kommunen schon ihre Hilfe zugesagt. Und die konkrete Einladung zum Impftermin kommt dann auch noch.