Corona-Ausbruch nahe Gütersloh : Alle Schulen dicht, 657 Tönnies-Mitarbeiter infiziert
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Fleischwerk Tönnies in Rheda-Wiedenbrück Bild: dpa
Der Corona-Ausbruch auf dem Großschlachthof bei Gütersloh trägt dramatische Züge. Als Vorsichtsmaßnahme werden alle Schulen und Kitas des Landkreises geschlossen. Gut 7000 Menschen stellt der Kreis Gütersloh unter Quarantäne.
Bei Deutschlands größtem Fleischverarbeiter Tönnies hat es mehrere hundert Corona-Neuinfektionen gegeben. Deshalb schließt der Kreis Gütersloh alle Schulen und Kitas bis zu den Sommerferien, um die Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung zu vermeiden. Viele infizierte Tönnies-Beschäftigte hätten schulpflichtige Kinder. Zentrum des Ausbruchs ist Tönnies' in dem Kreis liegendes, größtes Werk in Rheda-Wiedenbrück. Das Landratsamt hat dieses vorübergehend stillgelegt.
Nach mehreren positiv auf das Virus getesteten Mitarbeitern bei Tönnies hatte der Kreis am Dienstag weitere 1050 Tests angeordnet. Bei 983 ausgewerteten Tests gab es 657 Neuinfizierte. Die restlichen Ergebnisse sollen in den kommenden Tagen vorliegen. „Mit weiteren positiven Befunden ist zu rechnen“, heißt es vom Kreis Gütersloh. Alle 6500 Beschäftigten im Stammwerk sollen zudem getestet werden. Das Gesundheitsministerium kündigte an, Minister Karl-Josef Laumann (CDU) werde im Gesundheitsausschuss ausführlich über den Corona-Ausbruch informieren. Gut 7000 Menschen stellt der Kreis Gütersloh unter Quarantäne.
„Wir können uns für die Situation nur entschuldigen“, sagte ein Tönnies-Unternehmenssprecher auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz am Mittwochnachmittag. „Wir werden alles dafür tun, das Virus aus dem Betrieb herauszubekommen und sicherzustellen, dass wir wieder arbeitsfähig werden.“
Zuvor nur wenige Fälle bei Tönnies
Unternehmenschef Clemens Tönnies selbst blieb der Pressekonferenz fern. „Es geht jetzt nicht um das Unternehmen, es geht um die Menschen und um den Kreis. Wir unterstützen die Behörde in vollstem Umfang bei allen Maßnahmen“, ließ sich der Fleischunternehmer in einer Mitteilung zitieren. Um die Verbreitung des Virus einzudämmen, sollen alle Infizierte und deren Kontaktpersonen in den schon bisher genutzten Wohnungen und Unterkünften unter Quarantäne gestellt werden.
Die Tönnies-Gruppe ist mit einem Umsatz von mehr als 7 Milliarden Euro um vergangenen Jahr der mit Abstand größte Fleischverarbeiter in Deutschland. Alleine in dem Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück werden sonst jeden Tag gut 30.000 Schweine geschlachtet. Die gesamte Unternehmensgruppe liefert gut ein Fünftel der Fleischprodukte, die Kunden im Supermarkt finden.
Im Mai hatte es in zahlreichen Schlachtbetrieben in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein hohe Zahlen von Infektionen gegeben. Ein Schlachtbetrieb des Unternehmens Westfleisch im westfälischen Coesfeld wurde zeitweilig geschlossen, das Gesundheitsministerium in NRW ließ alle 20.000 Mitarbeiter von Schlachtfabriken testen.
Begünstigen gekühlte Räume die Übertragung?
Tönnies hatte im Mai schon angekündigt, im Rahmen eines Hygienekonzeptes noch ein weiteres Testzentrum aufzubauen, in dem Mitarbeiter auch unabhängig von behördlichen Anweisungen regelmäßig untersucht werden sollten. Bei gut 13.000 Tests in der Unternehmensgruppe wurden zuvor 128 Fälle festgestellt.
„Doch jetzt hat es leider eine große Ausbreitung gegeben“, sagte Gereon Schulze Althoff, der den unternehmensinternen Krisenstab leitet. Gründe dafür nannte das Unternehmen noch nicht. Auch wie lange der Betrieb geschlossen bleibt, ist noch offen. „Die Erkenntnis wächst, dass gekühlte Räume mit herbstlichen Bedingungen die Übertragung des Virus begünstigen, auch bevor sich Symptome zeigen“, sagte Schulze Althoff. Ein Verbreitungsherd des Virus seien also nicht nur Unterkünfte, es seien auch nicht nur ausländische Mitarbeiter betroffen. Sammelunterkünfte, in denen vor allem ausländische Mitarbeiter in der Fleischindustrie untergebracht sind, waren in der Vergangenheit häufig kritisiert und als Ursache für die starke Verbreitung des Virus genannt worden.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte als Reaktion auf die zahlreichen Corona-Fälle in Fleischbetrieben ein „Eckpunkteprogramm für die Fleischwirtschaft“ vorgelegt, nach dem Schlachtung und Fleischverarbeitung von kommendem Jahr an nur noch Betriebsangehörigen erlaubt sein soll. Die Verträge mit Subunternehmen, die dann wiederum meist ausländische Werksvertragsarbeiter einsetzen und ihnen auch Wohnungen vermieten, bezeichnete Heil als „Wurzel des Übels“. Die Arbeitsbedingungen im Fleischbetrieben seien schon länger ein Problem, seien aber in der Pandemie „zu einem gefährlichen Gesundheitsrisiko geworden“.
Die Fleischindustrie ist in großem Maße von ausländischen Arbeitnehmern abhängig. Gut 40.000 der insgesamt 130.000 Beschäftigten in der Industrie kommen aus Osteuropa. Die vier größten Unternehmen Tönnies, Vion, Westfleisch und Danish Crown teilen sich gut zwei Drittel des Markets auf.